Es solle ein weiterer Höhepunkt der Jazztage werden. Ihre Musik sei mindestens so schön wie ihr Gesicht, so kündigte Kilian Forster die Sängerin Céline Rudolph an. Die gut gefüllte, aber nicht ausverkaufte Comödie verfiel in schwummrigem Licht bei den gehauchten ersten Tönen Rudolphs sofort in heimelige Stimmung. „Sommerregen in Paris“ nennt sie das erste Lied, das wie fast alle an diesem Abend aus dem Programm der aktuellen CD „Salvador“ kommt. Auf dieser hat sie die tiefgründigen, melancholischen Texte des französischen Chansonnier Henri Salvador teilweise ins Deutsche übertragen und mit eigenen Melodien ausgekleidet.
Das gut gekleidete, etwas in die Jahre gekommene Publikum lauschte anfangs wohlwollend, während Rüdiger Caruso Krause sanft auf seiner Gitarre zupfte und Andi Bühler alles mit dumpfer, gefühlvoll leiser Perkussion untermalte. Die hervorragende Akustik in der Comödie erweckte den Anschein, Céline Rudolph unterhalte sich mit jedem Einzelnen, wenn sie in ihr Mikrofon flüsterte. Mal lallte sie fast, zog die Töne luftig leicht in Höhe und Tiefe. Eine Art Halbplayback lieferte synthetische Geigenklänge dazu, Rüdiger Caruso Krause sang eine feine zweite Stimme drauf. Die Sängerin begann vollkommen weltvergessen auf unzusammenhängende Vokale und „Lulolai“s zu improvisieren, streute hier und da ein wenig vokale Perkussion ein.
Die Textzeilen handelten, wie eigentlich den ganzen Abend lang, von Sehnsucht, dieses erste Stück von der Sehnsucht nach Glück, nach einem Paradies. Dabei wechselte Céline Rudolph nahtlos ins Französische und wieder ins Deutsche. Auch auf Englisch und Portugiesisch sang sie im Laufe des Konzertes, kein Lied blieb ohne diese für sie typische, völlig losgelöste Improvisation, vollkommen unberechenbar in Melodik und Takt, aber nie unschön oder gar langweilig.
In „Syrakus“, das von Fernweh handelte, trommelte sie selbst ein wenig, sang vom Alleinsein, präsentierte ihre Stimme jung, frei und ungezügelt. Auch zwischenmenschliche Gefühle, Eifersucht, Bitterkeit, Nostalgie und natürlich Liebe wurden besungen. Die weniger angenehmen darunter wurden besonders eingänglich musiziert, durch Marc Muellbauer am Kontrabass, der die Töne leiernd, fast nervend spielte. Das Covergirl der Jazztage vermochte es, erotisch zu hauchen, ohne auf schöne Tongebung zu verzichten, schlicht, sanft und doch tragend zu singen und – wo angebracht – auch mal zur Rockröhre zu werden. Die Band war komplett auf die Sängerin eingestellt, richtete sich nach ihr, hörte auf ihre Stimme und brachte sie bestmöglich untermalt auf die Bühne.
Musikalisch ließen sich verschiedene Einflüsse entdecken, natürlich Pop und französisches Chanson, aber auch Bossa Nova-Rhythmen und Country-Melodien erklangen. Das Publikum jedoch spendete höflichen, auch gelegentlich begeisterteren Applaus für ein besonders gekonntes Gitarrensolo, das nicht nur einmal auftauchte. Auch der Sängerin und ihrer Improvisation, völlig entrückt, kreativ, die Stimme zu allen möglichen Ausdrucksformen modellierend, zollte ein gelegentlicher Zwischenapplaus Respekt. Mit den sehr persönlichen Texten schien Céline Rudolph durchaus einige anzusprechen. Ab und an bestand ein Lied zugunsten der Improvisation nur aus wenigen Textzeilen, war ein wenig psychedelisch angehaucht und doch voller Ruhe und Gelassenheit. Allerdings reichte es am Ende, trotz recht herzlichem Applaus, nur knapp für ein weiteres Auftreten der Musiker und zwei Zugaben.
Vielleicht hätten die Zuhörer eine Pause gebraucht, vielleicht wurde die Musik sich nach zwei Stunden auch immer ähnlicher. Die Idee, das Publikum eine einzelne Zeile beim letzten Lied mitsingen zu lassen, erwies sich jedenfalls als wenig begeisterungsfördernd, obwohl sie garantiert für einen Ohrwurm auf dem Nachhauseweg sorgte. Vom Gesicht der Jazztage kam kreative Musik auf sinnlichen, sinnierenden Texten daher geschwebt. Offenbar war der Teil der Zuhörer, der noch vor der Zugabe verschwand, mit anderen Erwartungen gekommen.