Die Dresdner Mario Meusel und Christian Schöbel sind in den letzten Jahren als wuselige Rhythm’n’Blues- und Boogie-Musiker (»2Hot«), Radiomacher, Journalisten und Festivalveranstalter (Dresdner Boogie-Sommer) in Erscheinung getreten und haben sich nun mit ihrer aktuellen Silberscheibe – eine richtige Wundertüte – voll ins Zeug gelegt. Eine CD mit Stilen in voller Blüte – keineswegs »nur« Boogie-Woogie!
Beim Hören wird klar: die musikalische Sozialisation der beiden kann mit Fug und Recht als ordentlich bezeichnet werden. Dass sie dabei auch ungewöhnliche Instrumente, die eher in die Küche als ins Studio gehören, nutzten, ist ein großes Staunen wert.
Als Einstieg servieren sie poppigen Minimal, dezent illustriert mit Käsereibe, Stahlmaßband und Jumbo-Jet-Bassfagott. Unmittelbar danach wird Big Joe Turners »Low Down Dog« in ein knalliges Discofunk-Gewand gekleidet. Captain Beefheart würde sicher mitsingen. Beste Grüße an die Gemeinde! Das jahrelange Schön-Spielen an schmutzigen Instrumenten wird kurzerhand umgekehrt: Schleppende Stride-Einwürfe in bester Tradition der alten Dickwänster zeugen davon.
Dann wieder ein Griff in die Servante, aber wer Schlager hört, und das zu oft, der muss mit Guerilla-Aktionen rechnen. Die hier ist liebenswert raffiniert, fast könnte man vermuten, ein angeswingter Django in Hausschuhen besucht Slim und Slam in der Kombüse.
Wenn Meusel und Schöbel nur ein klassisches Piano-Schlagzeug-Duo wären, käme nun sicher der erste zeitschindende Boogie angewalzt. Der wurde ursprünglich auch tatsächlich eingemeißelt. Dann aber der Kurzweil zuliebe zerschnippelt und aus einigen wenigen Puzzleteilen wieder zusammengelötet. Nicht der erste Elek-Trick auf der CD und auch nicht der letzte! Der Blues danach als kurzer, aber deutlicher Fingerzeig: da kommt es her und dort gehört es irgendwie auch hin!
Munterem Style-Hopping frönend haben beide immer einen witzigen, aber niemals hämischen Streich auf Lager. Nach verlorener Wette mit einem Journalisten wurde ein altbekannter russischer Schatz geborgen und gleich wieder versenkt. Es hat wohl auf jeden Fall Spaß gemacht, den Jazzwalzer in einer Persiflage auf sächsischen Orchesterpomp neu zu vernickeln. Die anschließende Telefon-Nummer bleibt auf Wunsch unerkannt, enthält jedoch eine deutliche harmonische Widmung ohne rechtliche und finanzielle Folgen. Flatrate macht’s möglich. Noch einmal eine blaue Ballade und ein kurzer Ausklang, das war man dem Flügel schuldig.
Besondere Freude herrscht beim Wiederhören mit einem der hoffnungsvollsten Elektro-Acts des Landes: Alec Troniq. In einem Anfall von Tanzwut hat er ein Piano-Tune der CD perfekt durch die Mangel gedreht. Und ist für den lauten Knall der Wundertüte am Ende verantwortlich.
Ansonsten haben Meusel und Schöbel alles selbst eingespielt. Leersaiten und auch volle. Elfenbeine, Plastetasten. Dicke und dünne Felle. In dieser musikalischen Gerüchteküche wird Eigenanbau serviert. Auf Meusels und Schöbels Rent-Party bleibt die Tür ausgehängt! Hereinspaziert!