Das Opernensemble singt Weihnachtslieder. Dies und die Namen der Sänger waren dem Publikum aus der Ankündigung bekannt. Dass das Repertoire so viele unbekannte Lieder enthält, hatten die Zuhörer, die nach ungefähr der Hälfte des Konzerts das Opernhaus verließen, offenbar nicht erwartet. Schade für sie, denn so verpassten sie den amüsanten Ausgang des Abends.
Die Semperoper war nicht ausverkauft, doch mit (größtenteils ergrauten) Zuhörern gut besucht. Der Operndirektor Eytan Pessen begleitete seine Sänger virtuos am Flügel, hatte sogar einige Lieder selbst geschrieben. Mit recht unbekannten, weihnachtlich-besinnlichen Liedern in deutscher, englischer und lateinischer Sprache eröffneten Timothy Oliver, Markus Butter, Carolina Ullrich und Andrej Dunaev das Programm. Besonders das Wiegenlied Marias brachte die Sängerin kristallklar und sanft wie den ersten Schneefall dar. Von den drei folgenden Ave Marias bestach nur das letzte, ein Duett von Aaron Pegram und Ilhun Jung, durch einen glanzvollen A-capella-Teil. Auf spanisch und koptisch erklangen weitere Lieder. Gala El Hadidi sang ägyptische Melodien auf scheinbar endlosen Noten zu ruhigen Arpeggien vom Flügel. Die ruhige Stimmung wollte jedoch nicht aufkommen, was am ständigen Kommen und Gehen der Sänger oder am regelmäßig lauten Husten aus dem Publikum gelegen haben mag.
Etwas fürs Auge bot Roxana Incontrera. Mit Schäfermantel, Hut und Stab ausgestattet bot sie während der kommenden Schäferliedern auch mal einen kleinen Tanzschritt dar. So unterhalten ließ sich die verbleibende Zuhörerschaft auf den zweiten Konzertteil ein, in dem Orlando Niz überaus schlicht und angenehm zwei spanische Lieder sang. Allen Boxer durfte daraufhin auf, laut Programmheft gewolltem, Denglisch zwei fast lokalpatriotische Lieder aus der Feder seiner Kollegen darbieten. „Winter in Dresden, Weihnacht überall, der frischgeback´ne Stollen, der Semperopernball“ – solche Zeilen, wie auch das Konzept des Konzertes dürften dem Zuhörer auf der Suche nach einem roten Faden etwas wahllos erschienen sein.
Wirklich skurril wirkte die Begegnung von Santa Claus, der in die Stadt kommen soll, stattdessen allerdings auf ganze Wagenladungen voller höchst opernhaftem Vibrato traf. Gala El Hadidi war zuvor noch angemessen mit der Verzierung ihrer Töne umgegangen, dieses so populäre Lied jedoch entfremdete sie damit stark. Da half auch die grandiose Begleitung nichts. Die Grenze zum Ulk übertrat die Interpretation von Aaron Pegram und Timothy Oliver von „Rudolph, the rednosed reindeer“, unterhielt jedoch das schläfrige Publikum durch Kostümierung mit Geweihen und Clownsnasen und wenigstens hier schlichtem, dem Lied angemessenem Gesang. Denn auch vom letzten Lied „Go, tell it on the Mountains“ durfte man nicht zu viel erwarten: Schon in ihrem ersten Stück hatte Tichina Vaughn nicht gerade durch saubere Tongebung geglänzt, so fehlte leider auch im letzten Stück der Soul.
Höflichen Applaus spendeten die Zuhörer dennoch. Kurz bevor er endgültig verebbte, viele waren schon auf dem Sprung, bedachten die Musiker das Publikum dennoch mit einer Zugabe, einer gemeinsamen Version von „Stille Nacht“. Auf die Einladung zum Mitsingen reagierten allerdings die Wenigsten. Während dieser ersten Aufführung des Weihnachtskonzerts der Semperoper war viel Schönes erklungen, und die Idee der internationalen Sicht auf Weihnachtslieder sicher gut gemeint. Doch eine Moderation des Abends wäre mehr als brauchbar gewesen. Hoffentlich ist das Publikum der verbleibenden Vorstellung weniger auf den traditionellen, nur deutschsprachigen Weihnachtsliederabend eingestellt. Und interessiert sich auch für Eindrücke aus anderen Ländern.