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Peterchens Weihnachtsgeschenk

Peter Konwitschny und die Oper Leipzig – da gibt es viele Verbindungen. Sein Vater Franz Konwitschny (1901-1962) ist von 1949 an bis zum Lebensende Gewandhauskapellmeister in Leipzig gewesen. Der 1945 in Frankfurt am Main geborene Filius dürfte bereits in sehr jungen Jahren heftig Anteil an Musik und Musiktheater genommen haben. Und ebenso am Theater innerhalb des Theaters. Da lag wohl nichts näher, als dass Peter Konwitschny etwas völlig anderes zu seinem Broterwerb machen wollte – er begann 1963 ein Physikstudium. Noch näher lag nur, doch selbst ins Theaterleben einzutauchen – also brach er die Naturwissenschaft ab und wechselte an die Berliner Musikhochschule Hanns Eisler zu einem Regiestudium.

Für Überraschungen war Peter Konwitschny also schon immer gut. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Überraschend kündigte er einen Tag vor Weihnachten offiziell seinen bis 2014 datierten Vertrag als Chefregisseur der Oper Leipzig auf. Die Gerüchteküche war schon länger darauf eingestellt. Nicht erst seit der Premiere von Verdis „Macbeth“, den Konwitschny zuerst 1999 in Graz inszeniert hatte, und der wie manch andere Produktion von Leipzig übernommen worden ist. Die Produktion wurde von Regieassistentinnen fertiggestellt, der Regisseur wurde mit Krankheit entschuldigt. Von Burnout war die Rede, deswegen absolvierte der 66-Jährige auch seine jüngste Regie in Graz nicht bis zur Premiere, sondern ließ Tschaikowskis „Pique Dame“ ebenfalls von einer Assistentin vollenden. Dennoch soll er nur wenige Tage später an der Staatsoper Wien zur Premiere von Janáceks „Aus einem Totenhaus“, einer Umsetzung aus Zürich, gesehen worden sein. Pikant: Die Leipziger „Macbeth“-Premiere war am 10. Dezember, die in Wien nur zwei Tage später. 

Peter Konwitschny überraschte freilich auch gern mit seinen Theaterarbeiten, die stets ganz aus dem Geist der Musik kamen. Hier fruchteten ganz gewiss die frühen Prägungen seines Elternhauses. Konwitschnys gründliche Partiturkenntnis sowie seine Erfahrungen als Regieassistent am Berliner Ensemble unter Ruth Berghaus, gepaart mit hellwachem Widerspruchsgeist, sie waren die Quintessenz für zahlreiche nachhaltig auf- und anregende Opernabende. Zum Sprechtheater fand der Regisseur, der anfangs viel Bertolt Brecht und Heiner Müller inszenierte, erst 2009 wieder mit Shakespeares „König Lear“ in Graz.

In der steierischen Landeshauptstadt brachte er viel Verdi, Puccini und Rossini auf die Bühne, während einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Ingo Metzmacher in Hamburg entstanden wichtige Sichten auf Wagner und Weill, Schönberg und Berg, in Stuttgart beteiligte sich Konwitschny mit einer spektakulären „Götterdämmerung“ am von vier Regisseuren geschaffenen „Ring“. Inszenierungen in München und Moskau, in Berlin und Basel, in Kopenhagen und Amsterdam sorgten zunehmend aber nicht nur für eine Verbreitung der vom Publikum oft heftig umstrittenen Handschrift, sondern auch für eine gewisse Beliebigkeit, die selbst wohlwollendste Kritiker auf Distanz rücken ließ. So manche Aufregung, etwa um die zum Jahreswechsel 1999/2000 an der Semperoper Dresden entstandene „Csárdásfürstin“ von Franz Lehár, entpuppte sich nach unsäglichem Mediengeschrei sowie inkompetentem Intendanten- und Juristenurteil als eine grundsolide Arbeit, die auf Entstehungszeit replizierte und zum Nachdenken anregen sollte. Alles andere als ein Affront.

Auch zahlreiche Produktionen, die Peter Konwitschny an der Oper Leipzig schuf, dürften als beispielhaft gelten: Puccinis „La Bohème“, Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“, gekoppelt mit Schönbergs „Erwartung“, Tschaikowski „Eugen Onegin“ – allesamt hoch intelligente Sichten, die von psychologischer Binnendeutung künden und jede einzelne Note Musik auf geniale Weise nur ernst nahmen. Ein Markenzeichen dieses Regisseurs war stets, auch bei seinen schwächeren Arbeiten, dass Vehemenz und Diskussionsstoff geboten wurden. Noch heute beweisen das seine längst nicht mehr gespielten Händel-Opern aus den 80er Jahren in Halle. Meilensteine des Musiktheaters! Der aktuelle Leipziger „Ring“, der anders als überall sonst nicht von Richard Wagner stammt, um dessen 200. Geburtstag im Jahr 2013 vorzubereiten, sondern etwas hilflos von Christoph Willibald Gluck („Alceste“, „Iphigenie in Aulis“, „Iphigenie auf Tauris“ und „Armida“), bot da schon wesentlich weniger Zündstoff. Vom dem bleiben eher knallbunte Bilder denn tief lotender Inhalt im Gedächtnis. Auch manche Übernahme von Graz auf die wesentlich größere Bühne in Leipzig erwies sich als nicht nur räumlich fehldimensioniert.

Dabei ging es Peter Konwitschny doch stets um die großen Themen des Umgangs von Menschen mit Menschen in gefährdeten Zeiten („Der Friedenstag“ von Richard Strauss in Dresden), insbesondere die mythenträchtige Stigmatisierung der Frau. Deren Rollenbild und den Auswüchsen des Patriarchats hatte sich der Regisseur in besonders eindringlicher Weise verschrieben, ohne seinen via Bühne postulierten Vorstellungen von Moral und Ethik selbst je gerecht werden zu können. Gut möglich, dass ihn auch diese innere Widersprüchlichkeit zerrieben hat. Da mit seinem 2008 angetretenen Posten als Chefregisseur der Oper Leipzig keineswegs eine neue Ära eingeläutet werden konnte, scheint der vorzeitige Rücktritt nur konsequent. Ob der sensible Mensch und kluge Künstler nun abermals einer verlängerten Auszeit bedarf oder aber die Suche zu neuen Ufern antritt, bleibt abzuwarten. Von Herzen zu wünschen ist ihm, auch diese Krise zu meistern.

Die Pressemeldung der Leipziger Oper in voller Länge:

Die Oper Leipzig gibt bekannt, dass ihr Chefregisseur Peter Konwitschny auf eigenen Wunsch überraschend zum 01.01.2012 um Vertragsauflösung gebeten hat. Diesem Wunsch wird entsprochen.

Intendant Prof. Ulf Schirmer dankt Herrn Konwitschny für sein langjähriges Schaffen für die Leipziger Oper und einer Vielzahl von außergewöhnlichen und aufregenden Theaterabenden.

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