Für das Philharmonie-Publikum war es nun schon keine Neuheit mehr: Ein cineastischer Abend mit Live-Musik zu Kurzfilmen des Stummfilm-Meisters Charlie Chaplin. Diesmal waren es vier weniger bekannte Filme aus den späten 1910er Jahren, in denen der schon zu Lebzeiten zur Legende gewordene Entertainer nahezu alle Facetten seines Talents aufbot.
Mit Helmut Imig hatten die Musiker einen auf dem Gebiet der Live-Filmmusik erfahrenen Dirigenten am Pult. Präzise Einsätze und höchste Tempokontrolle sind zum Gelingen eines solchen Projektes unabdingbar – dies gelang so gut, dass das Publikum vollständig in die Filme eintauchen konnte. Im nahezu vollbesetzten Kulturpalast flimmerte zunächst „How to make movies“ über die Leinwand im Rücken des Orchesters. Dieser selbstironische, quasi-dokumentarische Kurzfilm zeigte einen Tag des Regisseurs Chaplin am Set. Für die Orchestrierung der Themen aus Chaplins Feder zeichnete der amerikanische Film- und Fernsehkomponist Carl Davis verantwortlich.
Von Davis stammt auch die Vertonung der nachfolgenden Trilogie „Das ist das Leben“. Die Musik war auch hier so gut auf das Geschehen auf der Leinwand abgestimmt, daß man fast vergessen konnte, in einem „Stumm“film zu sitzen! Die Soundeffekte fügten sich völlig selbstverständlich in die Handlung ein, so daß man knallende, knarrende, schnalzende Laute wahrnehmen konnte. Eine große Leistung des Dirigenten, daß Bild und Ton so gut übereinanderpassten! Es gab Saxophon-Soli, gewaltiges Schlagwerk, Klavier- und Orgelklänge, aber auch wunderbare Streicherpassagen und mitreißende Tanzrhythmen. Die anfänglich angespannten Mienen der Zuschauer hellten sich mit Fortschreiten des Abends zunehmend auf; immer häufiger waren Lacher zu hören, und die Stimmung im Saal zu Beginn der Pause war merklich lockerer als noch zu Beginn des Konzertes.
Der erste der drei Filme war „The Cure“, eine klassische Slapstick-Komödie mit rasanten Verfolgungsjagden, mehreren urkomischen Szenen sowie auch hier dem unvergleichlich naiven Charme des Regisseurs und Hauptdarstellers. Nach der Pause ging es weiter mit „Easy Street“, einem sozialkritischen, aber nicht minder kurzweiligen Film, in dem Chaplin als Polizist versucht, Ordnung in einem sozialen Brennpunkt zu schaffen. Auch hier siegt schließlich der Einfallsreichtum des Protagonisten über die rohe Gewalt seines bärtigen Kontrahenten, großartig dargestellt von Eric Campbell. Den krönenden Abschluß des Abends bildete „The Adventurer“. Diesmal ist Chaplin auf der anderen Seite des Gesetzes und führt als geflohener Häftling die ihn jagenden Gefängniswärter an der Nase herum. Wunderbar hier das an Wilhelm Tell erinnernde Thema, sobald es ans Jagen/Gejagdwerden ging!