Dmitri Schostakowitsch schrieb seine 7. Sinfonie unter unsäglichen Umständen. Über deren Programmatik – „Für alle Umgekommenen, für alle Gequälten“ – wird bis heute heftig philosophiert und gedeutelt. Fakt jedoch ist, das Opus 70 ist durch und durch leidgetränkt sowohl im Entstehungsprozess als auch in seinem durchgehenden Aufschrei. Die Uraufführung war ebenso ein Fanal wie der rasche Siegeszug dieser Sinfonie um die Welt und insbesondere ihre erste Aufführung im noch immer von den Deutschen belagerten Leningrad.
In den fast 900 Tagen, während der die zweitgrößte Stadt der Sowjetunion durch die deutschen Nazi-Truppen von der Außenwelt nahezu abgeriegelt war, sind darin mehr als eine Million Menschen umgekommen. Verhungert, erfroren, ein unbeschreibliches Leid, ausgelöst vom vermeintlichen Volk der Dichter und Denker. Wie wohltuend, zum Gedenken an die Dresdner Schreckensnächte vom Februar 1945 mit dieser Sinfonie daran zu gemahnen. Ein Konzert „Für alle Umgekommenen, für alle Gequälten“ – das vereint Demut und Respekt.
Umso trauriger, dass eine ganze Reihe von Plätzen leer geblieben ist. Gilt die Musik von Schostakowitsch in Dresden etwa immer noch als schwer verdaulich?!
Schwer aufführbar, technisch kompliziert, teilweise anspruchsvoll in der Balance und oft verwegen in ihrer Dramatik, das ist sie, diese Sinfonie. Sie wurde propagandistisch verklärt und blieb dabei in ihrem emotionalen Gehalt oftmals verkannt. Chefdirigent Michael Sanderling, dessen Vater (daran darf hier durchaus einmal erinnert werden) ein enger Vertrauter und Weggefährte des Komponisten Dmitri Schostakowitsch gewesen ist, er versuchte erst gar nicht, dieser Sinfonie gekünstelt ein persönliches Gepräge aufzusetzen. Nein, er ließ die Noten zu Wort kommen, hielt sich mit Deutung zurück und entfaltete so die ganze Tragik des Werks und zugleich die von dessen Verfasser.
Den wenigen Unstimmigkeiten zum Trotz – ein wohl der inbrünstigen Anspannung zuzuschreibender Patzer, zwei, drei Tempoverfehlungen von Streichern und Gebläse – schien das Orchester in seiner Gesamtheit allerbestens für diese Sinfonie präpariert gewesen zu sein. Sanderling konnte es sich leisten, weitgehend der Dynamik und dem Zeitmaß verpflichtet zu sein als dass er noch einzelne Einsätze zu bewirken gehabt hätte. So formte sich ein großes Ganzes heraus, das letztlich im tragisch-heroischen Finale gipfelte. Kein prachtvoller Sieg, der da herausposaunt wird, sondern ein lautstarkes Aufatmen, das keines der unschuldigen Opfer vergessen lassen möchte.
Heftiger – und verdienter – Beifall am Sonntag. Eine gesamte Verneigung von Dirigent und Orchester, nicht nur vor der Musik, sondern wohl auch vor dem in Noten gefassten Anlass. „Für alle Umgekommenen, für alle Gequälten“. Am Montag, dem 13. Februar, genügt ein stilles Verneigen.