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Ausgewulfft

Der niedersächsische Eigenheimbauer Christian Wulff galt nie als kultursinniger Vertreter des Bundespräsidialamtes. Eher der Typ reservierter Sparkassengehülfe. Konturlos, rechthaberisch, blass. Die Bundesrepublik hatte durchaus schon charismatischere Präsidenten im Sold. Aber dafür kommt ja eh der ungefragte Steuerzahler auf. Der hätte allen Grund zur Klage, schließlich ist das Amt des Bundespräsidenten beschmutzt worden, des obersten Repräsentanten dieser Nation. Blöderweise mal wieder durch den Bundespräsidenten höchstselbst. Und der müsste, auch das ist Demokratie im juristischen Sinn, eine solche Klage erst einmal zulassen. Keine Chance …

Was das mit Kultur zu tun hat? Zugegeben, die wochenlange Farce ist eher ein Ausdruck von Unkultur. Um dem zu begegnen, müsste ein ganz heftiges Umdenken einsetzen. Eine Neubesinnung. Wie da die Chancen wohl stehen?

Nein, das ist kein denkwürdiges Datum. Das ist die Fortsetzung der Politik mit untauglichen Mitteln. Motto: „So haben wir das schon immer gemacht!“ Womit wir endlich in Dresden wären. Augen zu und durch. Es wird sich nichts ändern. Weder im Kleinen, noch im Großen.
Kulturpalast? Der ist nur noch befristet bespielbar. Dann droht entweder Schließung oder Sanierung oder der vollständige Abriss (wie die letzten Wartehäuschen der Straßenbahn, die immerhin noch vor Wind und Regen geschützt haben, aber rein werbetechnisch völlig unbrauchbar geworden sind – nun also endlich gegen Designer-Stücke ausgetauscht werden sollen, die gut sind für Kohle, für Umsatz). Dass in Dresden mindestens zwei sehr gute Orchester beheimatet sind, die dringend eine ihnen angemessene Spielstätte brauchen, scheint kein Argument zu sein (sonst ginge es bei den Wartehäuschen ja auch mehr um Wetterschutz als um Marketing).

Stets hat die Politik eine Winzigkeit übersehen. Den Kredit fürs Biederheim, den Sorglos-Urlaub auf Sylt, die falschen Freunde und die zum Himmel stinkenden Schmierereien. Eine Schmierenkomödie! Braucht diese Bananenrepublik einen Bundespräsidenten? Vielleicht sollte Schloss Bellevue umgenutzt werden als Kita, das ändert nur wenig am geistig-verbalen Niveau, sorgt wesentlich für Vitalität und Substanz, erspart aber auch eine Menge an künftigen Untersuchungsausschüssen. 

Anders gefragt: Braucht Dresden einen Konzertsaal oder vielleicht doch ein neues Konzerthaus? Da ist er wieder, dieser Stich ins kleinstädtische Wespennest. Die zufällig übersehen 35 Millionen Euro, die nun nicht wie ursprünglich erträumt in den Umbau an der Wilsdruffer Straße dieser freistaatlichen Landeshauptstadt fließen werden, die sind auch deutlicher Ausdruck von Inkompetenz, Rechthaberei und dummdreistem Dünkel. Sie werden eine Kettenreaktion nach sich ziehen. Wie soll die Philharmonie denn nun ihren Spielplan für 2012/13 gestalten? Mit welchen Ausweichspielstätten Verträge abschließen? Was wird denn nun mit der Herkuleskeule, der Städtischen Bibliothek? Und blicken wir über den innerstädtischen Tellerrand ein klein wenig hinaus – haben die Staatsoperette und das Theater der Jungen Generation noch eine Chance, aus ihren maroden Bauwerken herauszukommen? Es sei deutlich gewarnt: Vor den Toren der Stadt!

Irgendwie geht alles immer so weiter. Man kann das auch Werteverschleiß nennen. Ein wenig Fremdschämen, dann werden die Themen gewechselt. Wäre es nicht mal Zeit für eine gründliche Kurskorrektur? Will sagen: Den Mut aufbringen, bisheriges Verhalten in Frage zu stellen, Gegenargumente nicht von vornherein abzuschmettern, den anderen zuzuhören, gemeinsam nachdenken und erst dann etwas entscheiden? Und, für den Fall aller Fälle, vielleicht sogar einen Plan B in der Hand zu haben?

Herzlich, bis nächsten Freitag,
Michael Ernst