Letzten Freitag bin ich fremd gegangen. War mal dran und hat auch richtig Spaß gemacht. Ich war in der Komödie Dresden, dem Privattheater im World-Trade-Center, und wäre ich nicht einer Empfehlung gefolgt und hätte eine Einladung ausgeschlagen, ich wäre nicht dahin gekommen. Nun war ich da und das ist gut so. Was wusste ich denn bisher von den „Firebirds“? Na ja, eine Band aus Leipzig, immer mal in Dresden zu Gast, im Ballhaus Watzke, an der Elbe, aber dahin komme ich ja auch nur im Sommer, auf dem Radweg.
Jetzt also zum 20. Geburtstag der „Firebirds“ eine Rock´n´Roll-Show. Musikalisch top! Da geht die Post ab. Guido Gentzel, Alexander Teich, Konrad Schöpe, Michael Massa Großweg und Krusdy van Friday lassen es krachen: Elvis, Bill Haley und so, na ja, die Jugenderinnerungen, bei mir. Aber die fünf Musiker haben Charme und gute Laune und beherrschen ihr Metier, sie spielen mit den Klischees, dass es nur so eine Wonne ist: in Muskelshirts, Knackjeans und kurzen Hosen, und – so es der Bau erlaubt – geht die auch mal runter bis auf den knappen Boxerslip. Und die Frisuren, so das Haar dazu noch vorhanden ist, sind sorgsam gestaltete Kunstwerke. Meine Güte, was setzen die Leute daran, um anderen Leuten gute Laune zu machen! Der Saal ist voll von Fans, die wippen und schnippen mit, hier ruft man ja nicht „Bravo“ wenn´s einem gefällt, hier wird gejucht und irgendwie klingt das fast wie Jodeln. Jedenfalls Zustimmung, mächtig, gewaltig.
Aber ein „Aber“ gibt es auch. Weil das Jubiläum in der Komödie, also im Theater, gefeiert wird und dort auch noch eine Weile weiter gefeiert wird, muss eine Handlung her. „Rock´n´Roll high school“ heißt die Musicalkomödie von Christian Kühn, Jahrgang 1982, rund um den Sound der goldenen 50ger und 60ger Jahre. Also auch mit Twist, Doo Wop, ein bisschen Beach Boys. Was der junge Fan und Schauspieler da gedichtet hat, ist eine locker und großmaschig gestrickte Geschichte, zwei links, zwei rechts, eine fallen lassen. Eine Regisseurin hat das Ganze dann irgendwie zusammengehäkelt, und so holpert die Leipziger Truppe auf der Dresdner Bühne im Bus und per Schiff und wieder im Bus Richtung USA, will nach LA und landet in „Los Angelas“ – deutschsprachige, verklemmte Siedlung – mischt die verschlafene Provinz musikalisch und erotisch auf, führt den Schnaps ein, hinterlässt glückliche Menschen und fährt zurück mit einem Baby namens Elvis, das schon eine Tolle und mindestens fünf Väter hat. So einfach ist das. Na ja, die Späße hätten besser sein können, immerhin verderben sie den Spaß an der Musik nicht! Der kocht noch mal richtig hoch, nach der Vorstellung im Foyer, bei der „After-Show-Party“ – auch meine erste – dazu gibt’s Burger, umsonst, und tolle Stimmung.
Und wenn ich daran denke. wie heiß die Nadeln gewesen sein müssen, mit denen an der hochsubventionierten Sächsischen Staatsoper ein Regisseur die Premiere am Sonntag, „La Dirindina“, eine farsetta per musica von Padre Giovanni Battista Martini, zusammengestrickt hat, als wollte er dem deutschen Titel des schmalen Barockspaßes entsprechen – der heißt nämlich „Die Dilettantendiva“ – dann bin ich im Hinblick auf die ganz und gar nicht subventionierten Künste der Komödie schon wieder ganz milde gestimmt. Ach ja, ich sollte auch noch daran denken, wie kraus und krude manche Opernlibretti sind. Es ist eben die Musik, E oder U, gut muss sie sein. Ich sollte öfter mal fremd gehen, bestimmt nicht gleich nächsten Freitag, da bin ich in Leipzig, im Ballett, eigentlich auch ein bisschen „fremdgeherisch“, denn die Kreation von Mario Schröder heißt „Mörderballaden“ und die Musik ist von Nick Cave.
Falls aber die „Firebirds“ wieder aufspielen, ich davon erfahre, nicht gerade eine Premiere in der Oper ist, Tanzplattform-Mustermesse oder so, ich müsste es probieren ob der Volksmund recht hat: „Einmal ist keinmal“.
Herzlich, bis Montag,
Boris Gruhl