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Verschlimmbessert

Foto: Gert Mothes

Unbedingt "seriös" müsse man diesen Mendelssohn spielen, sagte der Dirigent Dmitrij Kitajenko letzte Woche zwischen zwei Philharmonieproben. In den Konzerten am Wochenende wurde hörbar, was er meinte: gesetzte Tempi dort, wo andere Dirigenten den gesanglichen Fluss der Musik hervorkehren. Ausdirigierte Viertel, wo die Kollegen einzelne Impulse geben und den schwungvoll davonrasenden Geigen dann ihren Lauf lassen. Und eine strenge Beleuchtung der einzelnen Themen, ja Noten, die manchmal ins Pedantische auszuarten schien. So wurde es doppelt schwer, die zweite Fassung der "Italienischen Sinfonie" op. 90 ins Herz zu schließen; schien doch jede Leichtigkeit und lächelnde Grazie einem grübelnden, zurückhaltenden Gestus gewichen. Interessant allemal zu verfolgen, wie verformbar die in unseren Ohren auf immer eingeprägten Melodien und Rhythmen ja eigentlich sind, und in welche klangliche Richtung der Komponist sein ungeliebtes Werk weiterzuentwickeln und damit zu "retten" hoffte. Warum auch immer er nach der gefeierten Uraufführung überhaupt daran zu zweifeln begann und zu Lebzeiten keine weiteren Aufführungen mehr gestattete – heute ist die "Italienische" und gerade ihr jubelnd ungestümer Beginn populärer denn je. Sicher, einige Übergänge gerade im ersten der vier Sätze, etwa wenn eine gewundene Violinkaskade plötzlich abbricht und die Bratschen das Motiv genau einen Takt später unvermittelt wieder aufnehmen, sind vielleicht nicht der abendländischen Weisheit letzter Schluss. Aber wenn wir es als genialischen Wurf eines immerhin erst Vierundzwanzigjährigen (!) hören, macht die etwas knappere, erste Fassung einen überzeugenderen Eindruck als die glattgebügelte und damit eher verschlimmbesserte zweite.

Schlüssig gelang der Philharmonie am Sonntag jedenfalls die "Nullte" Sinfonie Anton Bruckners. Auch dieses Werk hat sicherlich Ecken und Kanten, ins Leere laufende Entwicklungslinien und unnötige Redundanzen, die den Komponisten letztendlich bewogen haben mögen, es für "verworfen" und "ungiltig" zu erklären und aus dem Werkverzeichnis für immer auszusperren. Aber schon ihr Kopfsatz birgt harmonisch reizvolle Ideen, aufgewühlte Steigungen, choralartige Einsprengsel und jähe Stimmungsabrisse. Wie plastisch und unbeirrbar Kitajenko das mit den Philharmonikern ausmalte, wie die Blechriege glänzte und die Streicher wirbelten! Ein Wahnsinn wäre es doch gewesen, solch einen Schatz in der Schreibtischschublade verdämmern zu lassen – das sprach jedenfalls aus dem am Ende reichlich gespendeten Beifall im Kulturpalast.

Eine gekürzte Textfassung des Artikels ist am 7. März in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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