Lange scheute der Komponist Frank Martin davor zurück, kirchliche Werke zu schreiben; zu übermächtig erschien ihm Bachs Meisterschaft. 1945 jedoch sah er die Rembrandt-Radierung „Die Drei Kreuze“ – und erklärte später, in diesem Moment erleuchtet worden zu sein. Alsbald machte er sich an eine Passionsvertonung…
Zum fünfzigsten Jubiläum der ostdeutschen Erstaufführung von „Golgotha“, damals mit dem sechsundzwanzigjährigen Peter Schreier als Solisten, dem Römhildchor der Martin-Luther-Kirche und dem Mozart-Orchester, hat sich die Singakademie Dresden dem beeindruckenden Werk angenommen und mit der Neuen Elbland Philharmonie am Wochenende in Dresden, Pirna und Döbeln aufgeführt.
Die tonal grundierte Musik Martins ist recht gut fasslich betont emotional gehalten: Chor und Orchester können stellenweise gar nicht groß genug sein. Schon die Gottesanrufung zu Beginn: drei wuchtige Klangsäulen scheinen da bis in den Himmel zu reichen! Insofern war die Kreuzkirche – ihr Mittelschiff war am Freitag vor der Karwoche fast ausverkauft – eine akustisch sehr gute Wahl. Die Solisten, allen voran Andreas Scheibner in der Rolle des Gottessohnes, durften unter Ekkehard Klemms umsichtigem Dirigat völlig unangestrengt erzählen; allenfalls Jörg Hempel (Bass) gelangte dabei in höheren Passagen stimmlich an Grenzen. Auch Chor und Orchester harmonierten gut; beide Ensemble überzeugten mit kräftigem, dennoch gut strukturiertem Klang. Bis es im letzten der zehn Teile der Passionsmusik an die Verherrlichung der Auferstehung ging: nun merkte man den hohen Frauenstimmen doch die tatsächlich immense Herausforderung des Materials an; auch das Orchester hätte da noch selbstbewusster jauchzen und frohlocken dürfen.
Tief bewegt lauschte das Publikum zuletzt und wartete die Glockenschläge ab, die sekundgenau auf das verklingende Ende von „Golgotha“ folgten; dann rauschte Applaus.
Eine Textfassung des Artikels ist am 4. April in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.