„Rusalka“, „Novecento“ und „Edith Piaf“ – zwischen Oper und Cabaret gab es auf der langen Nacht der Dresdner Theater eine Menge Musik zu erleben. Meine Kollegen und ich hatten hatten den Plan geschmiedet, den vielversprechendsten musikalischen Titeln auf die Spur zu gehen, und die entsprechenden Veranstaltungen zu besuchen. Zu jeder vollen Stunde zwischen 18 und 23 Uhr begann nämlich am Samstag abend je eine Veranstaltung in den verschiedensten Theatern der Stadt Dresden, sowie Veranstaltungsorten wie zum Beispiel der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden und allerlei Probebühnen. Die Dauer der Shows war günstigerweise auf 30 Minuten festgelegt, so dass man in der halben Stunde bis zur Folgeveranstaltung dank einer mit sehr gut organisiertem Sonderfahrplan ausgestatteten DVB zum nächsten Theater kommen konnte.
Der zeitlich erste Veranstaltungstitel, der mein Interesse erweckte, fand im Theater Wechselbad der Gefühle statt. Die Dresdner Schauspielerin und Sängerin Kati Grasse nahm dabei ihr Publikum auf eine Reise ins Frankreich der kleinen Chansonette mit der großen Stimme. „Edith Piaf. Nein, ich bereue nichts“ erklang stimmig sowohl aus der gelungenen Einführung in das Programm, aber ganz besonders auch aus den Chansons.
Trotz eiligem Verlassen des Wechselbades machte uns die Schlange am nächsten geplanten Highlight einen Strich durch die Rechnung. Obwohl wir uns mit Karten Treppenstufe um Treppenstufe vorarbeiteten, kamen wir bei „Keulenspiegel“ in der Herkuleskeule nicht mehr rein. Klar. Die 5 Minuten Verspätung machen bei einem Programm von einer halben Stunde bereits ein Fünftel aus. Was nicht weiter schlimm war, halte man sich unseren Fokus auf musikalische Veranstaltungen vor Augen. Ein weiterer Anlauf kam für uns aber nicht in Frage. Wo wir aber an einem interessanten Punkt sind: auf der Theaternacht sind auf sechs Slots tatsächlich hunderte an Veranstaltungen verteilt. Macht man sich auf den Weg, um diese zu sehen, kann es schnell mal durch Wegekomplikationen oder zu lange Schlangen dazu kommen, dass man eine Stunde Leerlauf hat. Wir nutzten sie, um das bereits gesehene zu interpretieren, und uns den voll gepackten Flyer noch näher anzusehen. Aha, Felix Räuber an den Tables zur Abschlußparty 23 Uhr. Cool!
Am Theaterhaus Rudi angekommen, gings in „Café Umberto“. In jenem Theaterstück wird behandelt, wie der Mensch seine Würde bewahren kann, wenn die Gesellschaft seine Kreativität nicht mehr braucht. Im künstlerischen Sinne ist dies allerdings bei „Café Umberto“ nicht gemeint. Das Stück ging auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation ein und holte uns stimmungsmäßig in eine ziemlich reelle Welt zurück, mit deren Inhalten es sich auseinanderzusetzen lohnt. Da munterte uns das Liedchen der Hauptdarstellerin auch nicht auf…
Folgend entschlossen wir uns, im Rudi zu bleiben, um das Eclectic Theatre zu erleben. Dieser Verein hat es sich auf die Fahne geschrieben, rein englischsprachige Titel zu interpretieren. In „The Reluctant Doctor“ traf sich der Zahn der Zeit perfekt, auch wenn das Stück natürlich aus Molières Zeiten und Feder stammt. Erscheinen. Sein, obwohl man es nicht ist, und das beste draus machen. Vorgeben, zu sein, und den Aufwasch nicht abtrocknen können? Der Witz auf der Bühne breitete sich jedenfalls schnell im Publikum aus. Ein paar in Britisch anklingende Töne, in der Sprache aber auch im Lied, nahmen uns schnell in eine ganz andere Welt. Von Wald bis hin zum Schloß wurde dieser nicht ganz weiß-betuchte Landarbeiter gezerrt, um als verkannter Doktor sein Unwesen zu treiben. Mit urkomischer Mimik und Gestik wurde dieses Stück schnell zum Highlight des bereits verlebten Abends. Für die Zuschauer, die dem Englischen nicht sonderlich geläufig sind, gab es übrigens eine Übersetzung in Flyerformat.
Den Schluß machten zwei reine musikalische Titel. „Bei uns kocht das Chaos“ im Wechselbad der Gefühle klang super an. „Man nehme ein Dutzend Lieder, ein Viertel Poesie, einen großen Löffel Kabarett und würze das Ganze mit einer Prise Improvisation.“ Was uns im wunderschön geschmückten großen Saal des Theaters erwartete, war tatsächlich eine Überraschung. Und scheinbar nur eine Kleinversion des richtigen Programms, denn an den „Kochabenden“ im Wechselbad dürfen zwei Zuschauerpaare vorm Publikum richtig kochen. Cooles Konzept.
An zwei Herden brodelte es zur langen Nacht der Theater jedenfalls in leeren Töpfen, und die fünfköpfige Crew wechselte Gedichte, Lieder und musikalische Einlagen ab. Musikalisch kam es den Kabarettisten auf keinen Fall auf gute Töne an. Schräg und dünn, dick aufgetragen oder ungestützt, alles war dabei, und machte dem Saal Spaß. Und zwischen den Stücken ging nie die Stimmung nach unten. Die Dynamik, mit der die halbe Stunde ausgefüllt wurde, ist für eine letzte Vorstellung um 22 Uhr bewundernswert. Richtig musikalisch allerdings, ein regelrechter Schmaus für die Ohren, war die Aufführung von Stefko Hanushevsky und Christopher Brandt.
Der in Berlin studierte Schauspieler brachte mit seinem Kumpan an der Gitarre solche Vibes in die Probebühne des Kleinen Hauses, dass man sich wüschte, das Programm dürfte noch ewig gehen. Da halfen auch die Zugaben nix bei der Begehrde nach mehr… Musikalisch gelungene Covers mit Augenzwinkern brachten das Publikum schnell zum Toben. Nur gut, dass die beiden im Juli once more ihr „Hit me Baby one more time“ schmettern werden. Das sollte man nämlich nicht verpassen.