„Angekommen“, seufzen es die Plakate von den Haltestellen beglückt. Allen, die es in Dresden noch nicht gemerkt haben sollten, sagt es Christian Thielemann in diesen Tagen rundheraus: „Die Laune ist gut!“ Denn: im Herbst wird endlich Hochzeit gefeiert zwischen der Wunderharfe und dem „einzigen deutschen Dirigenten von internationalem Rang und Ruf“.
Dem Hype um Wagners zweihundertsten Geburtstag, den wir in ziemlich genau einem Jahr feiern werden, kann Christian Thielemann zumindest in Dresden entspannt entgegenblicken. Wird er doch am 1. September als Chefdirigent, nicht als Generalmusikdirektor der Sächsischen Staatskapelle Dresden in sein traditionsreiches Amt eingeführt; ein feiner Unterschied, der ihm eine Anzahl vielstündiger, schweißtreibender Opernabende im Graben der Semperoper erspart. Stattdessen feiert er seinen Amtsvorgänger als Konzertdirigent, zum Beispiel am Vorabend des Wagner-Jubiläums, mit einem wirklich einzigartigen Programm: Der „Holländer“-Ouvertüre! Der „Faust-Ouvertüre“! Der „Rienzi“-Ouvertüre! Dem Vorspiel zu „Lohengrin“! Der „Tannhäuser“-Ouvertüre! Und der Uraufführung von Henzes neuem Werk „Isoldes Tod“. „Wir feiern rein,“ sagte Thielemann gut gelaunt bei der Pressekonferenz; „und direkt nach dem Konzert geht’s nach Bayreuth, wo wir am 22. Mai auftreten.“ Klar, „wenn Richard zweihundert wird, muss man mal die Zähne zusammenbeißen.“
Und der Rest der Saison, Herr Thielemann? Im Antrittskonzert des Dirigenten singt die „liebe Freundin“ Renée Fleming. Und: „Der Jonas Kaufmann wird singen, das wird bestimmt ganz erfreulich werden.“ Und: „Mein Freund Hans-Werner Henze wird Kapell-Compositeur. Ich bewundere ihn sehr. Vor Jahren hörte es nicht so gern, wenn man seine Instrumentierungskunst lobte. Inzwischen mag er es wahrscheinlich, mit Strauss verglichen zu werden…“ Also kurz und gut: „Es ist eine Menge los!“
Das Jahresprogramm tönt denn auch von zahlreichen renommierten Künstlern; von der neuen Capell-Virtuosin Lisa Batiashvili (Violine) über Hélène Grimaud, Hâkan Hardenberger, Evgeny Kissin, Gidon Kremer bis zu Anna Prohaska und Frank Peter Zimmermann. Am heimlichen Höhepunkt der Saison sind weder Thielemann noch die altgoldglänzenden Kapellmusiker beteiligt. Ganz unprätentiös heißt es auf Seite 68 des Programmheftes: „Samstag, 29.9.12, 11 Uhr, Konzertzelt. Frederik Rzewski. »The People United Will Never Be Defeated«.“ Igor Levit, einer der weltbesten Pianisten unserer Zeit, wird bei den nächsten Schostakowitsch-Tagen eins der schwierigsten und deshalb quasi nie gespielten Werke der Soloklavierliteratur interpretieren. Hingehen!