Wer Vadim Repin bei einem seiner inspirierten Auftritte erlebt, wird den Abend lange nicht vergessen. So intuitiv ist seine Herangehensweise an musikalische Details, an Tongebung und Proportion, so selbstverständlich mühe- und fehlerlos das Spiel des in Nowosibirsk geborenen Geigers, dass man als Hörer nur staunend zurückbleibt. Viele Konzerte mit Valeri Gergiew, der ihn seit dreißig Jahren kennt und begleitet, sind Legende; mit Christian Thielemann bereiste er vor zwei Jahren Japan und beschwor Begeisterungsstürme herauf. Auch die Geigerin Patricia Kopatchinskaya, die am Samstag zeitgleich mit ihm im Rahmen der Musikfestspiele konzertierte, sprudelt im Gespräch sofort hervor: Repin, mit dem Zweiten Prokofjew-Konzert? Das würde doch sicher ein "Wahnsinnskonzert" geben…
Die Erwartungen waren also hoch, der Kulturpalast ausverkauft, die Stimmung des Publikums äußerst gespannt. Repin kommt auf die Bühne, viele Schritte, ein freundliches Lächeln, er setzt die Violine an, spielt das erste Thema, das Orchester stimmt ein. Viele rasche Läufe, schwierige Doppelgriffe, Tonrepetitionen folgen, auch schwelgerische Passagen. Aber die Musik will und will an diesem Abend nicht abheben. Kaum bekommt Repin den Bogen von der Saite, die Guarneri ist zwischen Hals und Schulter geklemmt, die Finger scheinen daran festzukleben. Der lyrische Mittelsatz des Konzerts, in dem das Orchester die gitarrenartige Begleitung zupft und die Geige Kaminfeuerträume singt, gelingt freier. Dennoch, der einzige Aufreger der ersten Konzerthälfte bleibt der Beginn der Zugabe: drei Finger zeigt Repin da blitzartig den Musikern, die blättern rasch, der gesamte dritte Konzertsatz wird wiederholt und klingt nun endlich auch freier, riskanter.
Ein Wahnsinnskonzert wurde es doch noch, aber erst, als Repin schon auf dem Weg ins Hotel war. Markus Poschner, Erster Gastdirigent der Philharmonie, nutzte seinen letzten Auftritt im alten Mehrzwecksaal für einen weiteren fulminanten Beethoven-Streich: nach einer straffen "Coriolan"-Ouvertüre, in der die Akkorde wie Peitschenhiebe knallten und jede Note stramm an ihrem Platz stand, stand am Ende die siebte Sinfonie A-Dur auf dem Programm. Hier fügte sich endlich alles, Tempo, Gliederung, herrliche Holzbläsersoli und ein saftiger Streicherklang, zu einem entrückenden Musikerlebnis.
Eine Textfassung des Artikels ist am 29. Mai in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.