Was ist er für ein wunderbarer Poet. Einer, der sich mit Gottfried Benn in bester Gesellschaft weiß, klangvolle Bezüge zur italienischen Oper und sowieso zur Toskana aufweist, aber weder Dichter noch Opernsänger geworden ist. Dieses Junikind ist einfach nur Konstantin Wecker geworden, der am 1. Juni 1947 in München zur Welt kam und heutzutage längst als bajuwarischer Barde par excellence gilt. Er startete seine Laufbahn mit Kleinkunst, hat sich aber vor allem als Liedermacher einen Namen gemacht, obwohl es immer mal wieder künstlerische Ausflüge an weniger poetische Gestade gab.
Filmrollen etwa, über die heute keiner mehr spricht. Da sind die Kontroversen mit der deutschen Justiz schon eher ein bleibendes Thema. Doch das alles verkommt zur Nebensache, wenn man Weckers Hinwendung zum Musical und insbesondere zum Lied bedenkt. Nach frühen Touren mit der ersten eigenen Band gelang ihm 1977 mit „Genug ist nicht genug“ der erste Durchbruch, entgolten mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und ständig steigender Aufmerksamkeit.
In diesem Jahr nun erhält Konstantin Wecker bereits zum vierten Mal den Liederpreis der Liederbestenliste. Mit „Absurdistan“ stand er über Monate hinweg auf ersten Plätzen der Charts und erwies sich einmal mehr als Visionär. Als hätte er die medienträchtigen Themen von heute voraussehen können, besingt er in ironischer Zuspitzung seinen Glauben „ans große Geld“, an deutsche Exporte und ewiges Wirtschaftswachstum, „an den heiligen Sarrazin“, „deutsche Siege“ und sowieso an den Papst. Da reimen sich Liedzeilen wie aus den Schlagzeilen der Tagespresse: „Und ich glaube, dass Nestlé die Menschen liebt / die Vatikanbank leiten Christen / Bänker sind voller Mitgefühl / und Heckler & Koch Pazifisten.“
Ganz klar, das ist nicht das erste Mal, dass Konstantin Wecker Anstoß erregt und in manchen öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen nicht vorkommen darf. Aber seine Fans hat Konstantin Wecker ohnehin eher in seinen Konzerten, auf dem Platten- und längst auch auf dem Buchmarkt sowie mit schöner Regelmäßigkeit in der Musical-Ecke, dort jedenfalls, wo sie nicht von pickeltreibender Konfektionsware lebt. Jim Knopf, Schwejk, Pettersson und Findus, Pinocchio, Till Eulenspiegel und Peter Pan sind einige seiner unsterblich gewordenen Helden, doch auch historische Vorlagen à la Bayern-Spezi Ludwig und Agrar-Architekt Hundertwasser wurden dank Wecker zu sehenswerten Bühnenfiguren.
Lesenswert bleiben gedruckte Ausgaben seiner Lieder und Gedichte ebenso wie die autobiografisch geprägten Romane, sehenswert Filme wie „Die weiße Rose“, „Peppermint Frieden“, „Kir Royal“ und vor allem „Schtonk!“, zu denen auch die Filmmusik aus Weckers Hand stammt. Am besten und beliebtesten ist und bleibt der Barde aber in seinen Live-Auftritten.
Denn Weckers Liedschaffen ist inzwischen für mehrere Generationen eine Art Selbstverständnis. Ob solistisch oder zusammen mit singenden Urgesteinen wie Hannes Wader und Reinhard Mey, mit Pippo Polina und Jo Barnikel, mit Jazzern wie Wolfgang Dauner und Charlie Mariano oder noch früher mit Joan Baez und Mercedes Sosa – Wecker bleibt sich treu, was ein gegenseitiges Befruchten selbstredend nicht ausschließt.
Bei seinen Auftritten ist es unerheblich, ob sie unter freiem Himmel, auf großer Bühne oder eher kleinem Podium stattfinden. Da wird stets mit Energie und Inbrunst musiziert, mit Witz und Spielfreude gesungen, gelesen und in die schwarz-weißen Tasten gehauen. Bemerkenswert dabei ist, wie wenig der Interpret Wecker in die Gefahr gerät, sein Publikum als Wiederholungstäter zu langweilen. Als würde er sich immer wieder neu erfinden, würzt er seine Vorträge mit Hingabe und Leichtigkeit, ja mit Italianità, variiert die Extempores und weiß sich stets reichlich eins mit seiner stetig wachsenden Anhängerschar. Die fordert Mal um Mal ihre Lieblingssongs von ihm ein, lange ist es natürlich der „Willy“ gewesen, dem sich Wecker eine Zeitlang ganz verweigert hat. Aber ob Liebeslied oder zupackende Parodie, die deutsche Spießerwelt aufs Korn nimmt: Konstantin Wecker mischt sich ein, nimmt nichts hin, sondern fordert – und lebt! – den zivilen Ungehorsam. Da ist er ganz Demokrat.
Unentwegt ist der Sänger unterwegs, war wiederholt auch in Dresden, wo er den Alten Schlachthof ebenso bespielt wie den Kulturpalast, sich zu Lesungen aber auch nicht vor Auftritten in Buchhandlungen scheut, die eigentlich Parfümerie-Ketten angeschlossen sind.
Zum 65. Geburtstag beschenkt er sich und seine Fans gleich mit zwei neuen Büchern: „Meine rebellischen Freunde“ (Verlag LangenMüller) enthält ausgewählte Texte von Heinrich Böll bis Sophie Scholl, und in „Jeder Augenblick ist ewig“ (dtv) finden sich eigene, teils sogar unveröffentlichte Texte. Informativ und zu empfehlen ist zudem die Website www.wecker.de mit dem so engagierten wie streitbaren Link hinter-den-schlagzeilen.de.
Wir gratulieren und sagen: Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst