Helene Grimaud, die 25.000 Euro, die mit dem MusikFestspielPreis verbunden sind, spenden Sie dem "Internationalen Kindercamp Villa Sans Souci". Was verbindet Sie mit dem Projekt?
Ich hörte 2006 zum ersten Mal davon, und war sofort voller Bewunderung für die Initiatoren. Ich weiß, wie schwierig es ist, so eine Arbeit zu beginnen, und ihr Engagement beeindruckte mich. Schließlich fand ich das Ziel, schwerstkranken Kindern und Jugendlichen Lebensmut zurückzugeben, unterstützenswert.
Für Ihr "Wolf Conservation Center", das der Aufzucht und dem Schutz von Wölfen gewidmet ist, geben Sie demnächst ein Benefizkonzert, das über das Internet übertragen wird. Eine technische Premiere für Sie?
Ein Experiment auf jeden Fall, das seine Magie aus der ehrenamtlichen Arbeit aller Beteiligten zieht. Eine junge Webdesignerin kam auf die Idee, über einen Webcast weltweit neue Freunde und Unterstützer zu finden. Ich bin ihr dankbar, und auch dem Cellisten Jan Vogler, für seine Großzügigkeit. Ich werde nämlich nicht allein spielen, sondern gemeinsam mit ihm.
Ihr langjähriger Kammermusikpartner musste seinen Platz allerdings jüngst für die Cellistin Sol Gabetta räumen, mit der Sie eine CD aufgenommen haben. War er eifersüchtig?
Das muss er nicht – Jan hat meine Zuneigung, mein Herz. Ich liebe seine Art zu musizieren. Aber es ist auch eine Bereicherung, ein Werk mit neuen Partnern ganz neu zu denken. Es wird dadurch zu einem neuen Stück! Und Sie wissen doch, die Liebe wächst mit der Entfernung. Wenn Jan und ich künftig gemeinsam musizieren, wird die Erfahrung umso tiefer sein.
"Die Liebe wächst mit der Entfernung…" – gilt das auch für die Komponisten? Sie spielen Bach, Mozart, Liszt, aber vernachlässigen darüber ein bisschen die Zeitgenossen.
Wir Pianisten sehen uns ja mit einem Riesenberg von zeitgenössischen Werken konfrontiert: mehr als genug, um das ganze Leben damit zu verbringen. Das Kreuz einer Auswahl kann ich kaum tragen. Ich habe mich daher entschieden, nur Werke zu spielen, die mir äußerst viel bedeuten, und ohne die ich partout nicht leben könnte.
Im Dezember werden Sie erneut in Dresden zu Gast sein, erneut in der Semperoper, erneut mit der Staatskapelle… Wie ist Ihre Beziehung zum Orchester?
Es ist sehr selten, dass so eine innige Beziehung zwischen Orchester und Solist entsteht. Mit der Staatskapelle habe ich das Schumann-Konzert aufgenommen, wie Sie wissen, und das Fünfte Klavierkonzert von Beethoven. Die Semperoper ist ein magischer Ort, auch für Konzerte – und auch deswegen war ich sehr traurig, als ich mein Konzert 2010 aus Krankheitsgründen absagen musste. Ich hatte mich sehr auf den Termin gefreut, nachdem ich vorher schon ein Bach-Recital hier gespielt habe. So bin ich sehr glücklich, wieder einmal hier zu sein.
Ich erinnere mich manchmal an ein anderes Konzert, das Sie am 11. September 2001 in London gaben. Es war für jeden im Publikum und sichtlich auch für die Musiker auf der Bühne eine trostspendende Erfahrung. Um damit auch noch einmal auf den FestSpielPreis zurückzukommen: können Musiker die Welt verändern? Manchmal hat man da schon so seine Zweifel…
Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich die Not, das Elend auf der Welt sehe und merke, wie beschränkt meine Möglichkeiten als Künstlerin sind. Bei all der Schönheit, die Musik versprüht, scheint ihr Einfluss doch winzig und mein Tun vergeblich. Auf der anderen Seite: so können Sie nicht an die Sache herangehen. Man muss alles geben und auf die erlösende Qualität der Kunst und besonders der Musik hoffen. Musik kann Freude spenden – auch wenn es nur für einen Moment ist, fühlt man sich eins mit dem Universum. Wie Sie sehen, bin ich hin- und hergerissen. Aber unterschätzen Sie nicht die spirituelle Kraft der Musik. Sie ist nicht immer da, nicht an jedem Tag, nicht in jedem Konzert. Aber wenn sie da ist, macht es den Moment um so einzigartiger. Das ist alles, wonach ich strebe.