Schon zu früheren Jahrgängen von „Klassik picknickt“ musste der Château Lafite in der frostklammen Hand gewärmt werden. Auch die jüngste Ausgabe des Klassikabends im Vorgarten der Gläsernen Manufaktur stand bis zuletzt meteorologisch auf der Kippe. Waren die Spitzenschuhe des städtischen Orchesters („Philharmonie tanzt!“ am Königsufer) am Freitag fast sofort durchnässt gewesen, so hatte der Wettergott am Samstag ein Einsehen. Pünktlich als vor der kleinen Bühne am Phaeton-Turm die ersten Decken ausgebreitet, die ersten Liegestühle entklappt waren, verflüchtigten sich die Wolken, und bald färbte die Abendsonne den Himmel so kitschig-rosa wie das Programmheft.
„Eine Reise in das Land des Lächelns“ war angekündigt gewesen; von Operettenseligkeit aber nicht die Spur. Statt einer launigen Arienrevue erklang ein anspruchsvolles, von Bettina Volksdorf etwas zu brav moderiertes Programm mit drei umfangreichen Werken.
Obwohl bereits 1958-59 in Schanghai komponiert, dürfte das Violinkonzert „Die Liebe der Schmetterlinge“ erstmals in Dresden aufgeführt worden sein. Es zieht seine Reize aus den chinesischen Volksmelodien, die das Soloinstrument anmutig über ein zumindest für westliche Ohren recht biederes Orchesterarrangement wehen lässt. In der Heimat des Solisten Mengla Huang mag es ein kulturelles Schlüsselwerk sein, in Europa jedoch dürfte es über freundliches Interesse hinaus kaum Emotionen wecken. Dabei war Huangs Darbietung konzentriert wie innig. Wo das Konzert Möglichkeiten zur virtuosen Entfaltung bietet, nutzte er sie, und ergab sich nie der seichten Romantizität.
Höhe- und Schlusspunkt des Abends, dessen programmatisch etwas verquerer Mittelteil – Rimski-Korsakows „Capriccio Espagnol“ – ohne Aufregungen vorrüberrauschte, war Yuja Wangs Interpretation des Dritten Klavierkonzerts von Sergej Rachmaninow. Pff!, mochten Klassikapologeten noch gedacht haben, als die junge Frau auf Pfennigabsätzen zum Steinway trippelte; das kurze rote Kleid (oder war es ein Badeanzug?) enthüllte, „dass sich das chinesische Klavierwunder auf mehr als zwei Hände verteilt“, wie es das Programmheft formulierte. Indes: sie wurden vom ersten klingenden Ton an bestürzt eines Besseren belehrt. Dass die Mittelregister des Flügels in der Abendkühle arg verstimmt waren, machte Wang vergessen: mit einer atemberaubenden Artikulation ließ sie den Konzertbrummer mozartisch leicht vorübersausen. Die Dirigentin Xian Zhang ging die raschen Tempi mit und hielt das Orchester bis zum krachenden Schluss mustergültig in Schach. Prickelnder Klang-Champagner!
Eine Textfassung des Artikels ist am 9. Juli in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.