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Was nützt es, zuhause weltberühmt zu sein?

Auf Dresdner Künstler angesprochen, sagte der Dirigent Christian Thielemann kürzlich im »Musik in Dresden«-Interview einen Satz mit einem versteckten Widerhaken: "Was nützt es," fragte er subtil, "zuhause weltberühmt zu sein?" In Zeiten eines immer aufgeklärteren Publikums, in Zeiten allgegenwärtiger Aufnahmen, Einspielungen und Live-Übertragungen, in Zeiten der Allverfügbarkeit musikalischer Werte entlarvt sich einer, der früher vielleicht stolz ein Lokalmatador genannt worden wäre, rasch selbst. Es gilt, sich selbst im Spiegel der Welt genau zu betrachten und selbstverständlich auch stolz zu sein, wenn man auf beschränktem Raum Außergewöhnliches leistet.

Die lange Vorrede gilt – auch – der Außenwahrnehmung des kleinen, seit einem Jahr volljährigen Moritzburg-Festivals, dem der Cellist Jan Vogler seit einigen Jahren allein als künstlerischer Leiter vorsteht. Er hat es vermocht, ein treues, begeisterungsfähiges und wohlinformiertes Publikum heranzuziehen, das in zwei Augustwochen verlässlich zu den Konzertorten in Moritzburg, Proschwitz und Dresden pilgert. Gerade im Genre der Kammermusik gehört dabei auch selbstbewusstes Klappern zum Handwerk; kann doch eine Veranstaltung mit hochkarätigen Künstlern, aber begrenzten Publikumszahlen an sich kaum profitabel werden. Eine große Anzahl solventer Sponsoren, spendabler Mäzene und freigiebiger öffentlicher Förderer braucht es, bis sich ein Festival dieser Art überhaupt tragen kann. 

Wie eine verschworene Gemeinschaft wirkten da die abgezählten Besucher der "Proschwitzer Gala-Nacht", die ohn' Unterschied knapp zweihundert Euro für ihre Eintrittskarte bezahlt hatten (Musikkritiker ausgenommen). Nach Austernschlürf und Sektempfang schritt man zum Konzert wie zu einem freimaurerischen Ritus; die drei Werke – Mozarts Divertimento F-Dur KV 138, Rossinis Sonate Nr. 5 für 2 Violinen, Violoncello und Kontrabass (!) und Brahms' Klaviertrio op. 8 in der zweiten Fassung von 1889 – wurden angemessen zelebriert und bejubelt; einer der Künstler (Arnaud Sussmann) von Prinzessin Alexandra kundig interviewt. Ein Sternekoch reichte die Pausensnacks, von den LED-Scheinwerferleisten einiger dicker Limousinen eines "Dresdner Autoherstellers" (Prinzessin Alexandra) streng beäugt.

Die Interpretation der Rossini-Sonate war indes extraklasse. Wie sich Sussmann und die Geigerin Karen Gomyo in den einzelnen Themen zu übertreffen suchten, wie sie sich zulächelten und gegenseitig zu immer virtuoserem Spiel anfeuerten, wie Janne Saksala am Bass dazu gewitzte Pointen lieferte und Thomas Demenga die Cello-Melodien rein und klar aussang, das war unvergleichlich. Und doch wähnte sich der Rezensent schon ab seinem kurzen Rundblick auf dem Besucherparkplatz wie im falschen Film. Worum ging es hier – um die Musik? Man feierte sich mithin, man sprach sich ob der "Unruhe und Unsicherheit" der letzten Jahre (so das Vorwort der Stiftungsgründer Kammermusikfestival Moritzburg im Programmheft) gegenseitig Mut zu, man schlemmte und genoss die leckeren Tröpfchen aus den Fässern des Hausherrn. Ach ja, und gute Musik – gab es auch.

Die freundliche Abgeklärtheit eines in der Pause pfeifeschmauchenden Janne Saksala wurde noch von der noch freundlich introvertierten Haltung des Cellisten übertroffen und bildete einen Kontrapunkt zum allgemeinen Sehen und Gesehenwerden. Demenga war für mich übrigens die künstlerische Entdeckung des aktuellen Jahrgangs; zum ersten Mal war er zu Gast, wirkte wie ein unnahbarer musikalischer Komet, der nichtsdestoweniger in allen Kammermusikformationen sich unverzichtbar machte und die Interpretationen klug und klangreich trug. Von den außermusikalischen Genüssen hielt er sich fern. Ob wir ihn nächstes Jahr wieder begrüßen dürfen? 

Noch einmal Christian Thielemann: "Künstler von hier wollten nach der Wende erst mal in die weite Welt," so der Dirigent , "aber wir müssen sagen: tut doch mal was für eure Stadt! Was können wir noch besser machen, wo sind wir schon an der Spitze angelangt? Man ist ja auf vielen Gebieten Weltklasse, aber womöglich weiß das die Welt nicht." Nun – der Intendant des Moritzburg-Festivals hat die nicht einfache Aufgabe gut gemeistert, das Festival überregional zu vermarkten und gleichzeitig das lokale Publikum nicht aus den Augen zu verlieren. Er tut etwas für seine Heimat. Zu den öffentlichen Proben strömen die Hörer, aber auch die teuren Schlemmerkonzerte sind restlos ausverkauft. Mit einer klugen Förderpolitik, die für hochkarätige Privatiers attraktiv ist, aber auch öffentliche Gelder etwa der Kulturstiftung des Freistaats, des Kunstministeriums oder der Gemeinde Moritzburg gern akzeptiert, hat Vogler das Festival stabilisiert und hofft nun, es über seine Lebenszeit hinaus als Institution etablieren zu können. Ein großer Freundeskreis und die Stiftung sollen dabei helfen.

Interpret und Intendant zugleich: der Cellist Jan Vogler (Foto: Rene Gaens)

Wenn es gelingt, die familiäre Atmosphäre der Anfangsjahre in die Zukunft zu retten, wenn hochkarätige Künstler die Ziele und Inhalte des Festivals ernstnehmen und unter ihresgleichen propagieren und es gleichzeitig gelingt, den Nachwuchs für die Inhalte der angeschlossenen Akademien zu begeistern, dann ist dem Festival die bestmögliche Entwicklung gewiss. Das Abschlusskonzert des Jahrgangs 2012 zeigte erneut, dass das Publikum das Festival liebt und die Interpreten damit zu Bestleistungen anspornt. Eine bessere Beziehung ist eigentlich nicht zu denken. Der Genuss-Mittelpunkt, die Hauptsache aber sollte in aller Bescheidenheit und Größe die Musik sein – nicht die Interpreten. Nicht das Ambiente. Und nicht das Publikum.

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