Friedrich Nitzsche (1844-1900) war zunächst Richard Wagner sehr zugetan; später wandte er sich von ihm ab. In seinen letzten Lebensjahren schwärmte er von einer „Frühlingsmusik“; den Komponisten nannte er den 'neuen Mozart'. Ein gutes halbes Jahr vor seinem Tod schrieb er an ihn: „Singe mir ein neues Lied, die Welt ist verklärt und alle Himmel freuen sich.“ Der Mann, dem er das schrieb, nannte sich als Komponist Peter Gast, hieß aber eigentlich Heinrich Köselitz und war Nietzsches Sekretär. Er konnte die Schrift des Meisters lesen, was wenigen Zeitgenossen vergönnt war. Im Weimarer Archiv kann man sich davon ein Bild machen.
Köselitz wurde 1854 in Annaberg geboren, wo er auch 1918 starb. Als Komponist dürfte er der bedeutendste sein, den die Stadt hervorgebracht hat. Als Freund und Mitarbeiter eines der bedeutendsten deutschen Philosophen dürfte es der Stadt ebenfalls zur Ehre gereichen, dass er hier zur Welt kam und sie hier auch wieder verließ. So gibt es in Annaberg nun einen Köselitzplatz und eine Peter-Gast-Straße. Und in dieser Saison wird auch erstmals wieder nach 75 Jahren die hier entstandene Oper des Komponisten zum ersten Mal in seiner Heimatstadt, am Eduard-von-Winterstein-Theater zu erleben sein.
„Der Löwe von Venedig“, ein heiterer Stoff, eigentlich bekannt als „Die heimliche Ehe“ von Domenico Cimarosa. Gast hatte den Text von Giuseppe Bertai neu übersetzt, den Titel für die eigene Komposition mit seinem südlichen Sound, so wie man ihn Ende des 19. Jahrhunderts im Erzgebirge für herzerwärmend hielt, beibehalten. Das bekam dem Werk zur Uraufführung 1891 in Danzig nicht so gut. Unter dem neuen Titel „Der Löwe von Venedig“ lief es besser, etwa 1930 in Chemnitz, oder zehn Jahre später in Regensburg.
Ich lasse mich gerne überraschen in Annaberg, zur Premiere, am 7. April 2013. Und noch eine Überraschung gibt es anzukündigen. Dieweil man mit Lehár, Millöcker und Johann Strauss an der einzigen Dresdner Staatsoperette der Welt in Dresden zur 65. Spielzeit auf Nummer sicher geht, bringen die mutigen Annaberger eine echte Broadwayoperette ins Erzgebirgische Theaterleben. Das Stück hat einen Hit „Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren“, kam 1924 als „The Student Prinz“ von Sigmund Romberg in New York heraus und wurde schon drei Jahre später von keinem Geringeren als Ernst Lubitsch verfilmt. Klar dass der Theaterrenner vom Beginn des 20. Jahrhunderts, Wilhelm Meyer-Försters „Alt-Heidelberg“ Pate stand. Es heißt, das Stück, die Operette, der Film, waren bei den Amerikanern so beliebt, dass kein Pilot bereit war, Heidelberg zu bombardieren. Was eine Operette alles retten kann, ob die Annaberger Operettenausgrabung das Genre insgesamt retten kann, wird man sehen, ab 24. Februar 2013.
Noch viermal gibt es in der neuen Saison die Opernausgrabung der letzten Saison zu sehen, und weltweit derzeit nur in Annaberg, Carl Goldmarks Oper „Götz von Berlichingen“, 110 Jahre nach der Budapester Uraufführung, ab 13. Oktober 2012. Wer so lange nicht warten möchte, neugierig geworden ist auf die malerisch gelegene alte Stadt mit etlichen Sehenswürdigkeiten, der sollte sich unbedingt das aktuelle Programm vom „Musikfest Erzgebirge“ ansehen. Die Auswahl fällt schwer. Aber in Annaberg gibt es auch zum Musikfest Erzgebirge 2012 etwas Besonderes. Hier fand nämlich vor 80 Jahren, 1932, in der ohnehin ob ihrer reichen Ausstattung sehenswerten spätgotischen Hallenkirche St. Annen, zu Annaberg-Buchholz, das erste Erzgebirgische Musikfest statt. Und jetzt, 80 Jahre später, mit den Kantoreien des Erzgebirges, der Erzgebirgischen Philharmonie Aue und dem englischen Dirigenten Simon Halsey, könnte es im sächsischen Sängerhochland zugehen wie bei den Londoner Proms, wenn mehr als 300 Sänger Höhepunkte aus Joseph Haydns „Die Schöpfung“ erschallen lassen. Am 22. September, 16.00 Uhr, in Annaberg, wo sonst.