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„Ich spreche Schlagzeug“

Das wird ein bunter Herbst, ohne Frage. Kaum dass der Sommer seinen Abschied eingereicht hat, tummeln sich farbigste Töne, virtuos vorgebrachte Klanglandschaften und teils nebulöse Stimmungen in der Jazzszene von Dresden. Und die vereint sich weitgehend im Jazzclub Tonne. Im Hause Semper ist ja vorerst – bis auf weiteres? – das Licht ausgemacht worden für diese Art von Musik.

Lasst Noten sprechen: "Baby Sommer French Connection" (Foto: PR)

Nach einem September-Entree mit Altvorderen wie Uschi Brüning und Ernst-Ludwig Petrowsky, die den Säulenheiligen Ornette Coleman vom Sockel hoben und so das Tor öffneten für „Das Jazzkollektiv Dresden Festival“, wurde der kalendarische Herbstanfang von der „Baby Sommer French Connection“ eingetrommelt. Dresdens Schlagzeug-Urgestein, bekanntlich einer der umtriebigsten Vertreter seines Faches, hat im Laufe der Zeit diverse internationale Verbindungen anklingen lassen. Erst jüngst im Sommer zog es ihn nach Griechenland, wo er gemeinsam mit namhaften Musikern der dortigen Szene sein „Kommeno-Projekt“ uraufgeführt hat. Ein musikalischer Versuch, die Vergangenheit, da sie schon nicht „wiedergutzumachen“ ist, so doch zu reflektieren. Vor gut eintausend Gästen wurde Mitte August eines der vielen Wehrmachts-Verbrechen gedacht, dem im Epirus-Dörfchen Kommeno auf den Tag genau vor 69 Jahren 317 unschuldige Kinder, Frauen und Männer zum Opfer gefallen sind. Im April 2013 wird dieses vom Jazzclub Tonne mitgetragene Projekt auch in Dresden zu hören sein, voraussichtlich im Festspielhaus Hellerau. Bereits am 2. November kommt es zum Jazzfest Berlin.

Doch den ersten sächsischen Herbststurm entfachte Meister Sommer französisch. Und feierte damit einen runden Geburtstag. Vor genau dreißig Jahren durfte der ostdeutsche Jazzer erstmals Jazz à la francaise zelebrieren. Seitdem ist er mit dem Saxofonisten und Klarinettisten Sylvain Kassap und dem Bassisten Didier Levallet ein Trio. Ohne jeglichen Streit, wie er am Freitag bekannte, spielen und feilen sie seit diesen drei Jahrzehnten am gemeinsamen Jazz. Was sie jetzt in der Tonne davon preisgaben, war europäisches Miteinander, wie es den Vorgaben aus Brüssel und Strasbourg nur selten, nein niemals gelingt. So einvernehmlich und dennoch in den bestimmenden Wurzeln autark ist Europa derzeit kaum zu erleben.
„Ich spreche kein Französisch und Didier spricht kein Deutsch,“ ließ sich Sommer nach einem Duo mit dem Bassisten vernehmen. „Er spricht Bass und ich spreche Schlagzeug.“ So verstanden sie sich. Und warfen sich flirrende Satzfetzen zu, die in Rede und Widerrede einen ansteckenden Sinn ergaben. Im Trio waberten Bassklarinette und Klarinette mal leicht melodiös, mal streng perkussiv dazu, wurden auch mal zur Wiedergabe von Didgeridoo-Klängen verwandt. Kassap schwang sich mit dem Bass-Instrument in erstaunliche Höhen, gab als Solist Emotionalität preis, gefiel sich im gleichzeitigen Ausprobieren von ein, eineinhalb bis zwei Instrumenten in seinem Mund.

Auch Levallet, so äußerlich zurückhaltend er auch auftrat, ist ein Meister des Spiels. Ob gezupft, ob gestrichen – sein Kontrabass öffnete sich wie ein Schrank, aus dem die Linien wie die Punkte nur so hervorquellen wollten. Im beherrschenden Zentrum agierte der sich einmal mehr auch clownesk gebende Schlagzeuger Sommer. Er brillierte mit Rasanz, ohne je zu dominieren. Tischte mal wieder eine Vielfalt an Gestaltungsmitteln auf, die das zahlreiche Publikum in Bann zog. Trommelte auf Fellen und Becken mit Klöppeln und Besen, betörte mit geschlossenen Lidern ebenso wie mit dem ganz großen Augen-Blick. Und selbst als Lufttrommler warf er Rhythmen ins Rund, die nicht nur behauptet waren, sondern sich aus der Substanz ergaben und daher auch funktional aufgingen. Was für ein Abend!

Bevor der Herbst nun aber alle Blätter abwirft, versprechen die 3. Polnischen Kulturtage in Dresden mit dem Miskiewicz/Majewski Quintet noch einen spannungsreichen Komeda-Abend in der Tonne (22.9., 20.30 Uhr), wird der Norweger Stian Westerhus dort als revolutionärer Solist an Gitarre und Electronics angepriesen (28.9., 21 Uhr) und rollt auch schon das „Panzerballett“ an, eine ebenso lautstarke wie spielerische Formation aus München mit ausgeprägtem Sinn für deftige Zwischentöne (29.9., 21 Uhr).

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