Eine neue Neiddebatte? Oder steckt doch mehr dahinter, wenn Sachsens Landesrechnungshof feststellt, dass Musiker in hiesigen Spitzenorchestern zu viel Geld bekommen? Im Gewandhausorchester etwa sollen jährlich 3,3 Millionen Euro zu viel an Personalkosten gezahlt worden sein. Auch sei der Haustarifvertrag von 1992 ohne jegliche Rechtsgrundlage – also nicht bindend. Gewandhausdirektor Andreas Schulz widersprach umgehend in den Medien.
Nun braucht es wenig Fantasie, bis die Prüfer auch an den Türen der Dresdner Staatskapelle rütteln. Auch deren Haustarifvertrag ist ja – wie der des Leipziger Spitzenorchesters – nach dem Modell der Münchner Philharmoniker verfasst worden. Auf welcher Grundlage sollte auch sonst verglichen und bemessen werden? Rechner und Prüfer wider Kunst und Kultur? Ganz so simpel ist die Sachlage sicherlich nicht, aber man sollte schon argwöhnisch sein, wenn einerseits von Geldverschwendung die Rede ist und andererseits Orchester unterschiedlicher Provenienz zwangsfusioniert werden. Und viele kleinere Ensembles sowieso schon nur noch aufgrund von selbstauferlegten Haustarifverträgen existieren. Wobei „selbstauferlegt“ meist eine höhere Stufe der Selbstausbeutung bedeutet.
Ein Dorn im Auge ist den Vertretern des Rechnungshofes aktuell auch die Gage der künstlerischen Orchesterchefs. Sie sei höher als das Gehalt sächsischer Minister. Nun gut, eine Ananas ist auch schwerer als eine Pflaume. Mit anderen Worten: Hier werden nicht mal Äpfel mit Birnen verglichen, sondern Kunst mit Fallobst. Welcher Minister hat sich denn ab dem vierten, fünften oder sechsten Lebensjahr auf seinen späteren Beruf vorbereitet? Wie weich ist der Abschied aus dem Ministeramt abgefedert, sollte mal wer über seine Vergangenheit und/oder Gegenwart stolpern?
Musiker haben in aller Regel seit frühester Kindheit mit täglichen Übestunden und hartem Unterricht auf ihre Berufung hingearbeitet. Sie sind Fachkräfte und werden für etwas entgolten, was nur sie als Fachkräfte zu leisten vermögen. Ein Geiger kann nicht so rasch an die Posaune wechseln, wie die Zuständigkeiten im üblichen Ministerkarussell fraktionskonform ausgelost werden. Und wenn man sich schon auf diesen unsäglichen Vergleich einlässt: Falls ein festangestellter Künstler seine Profession nicht bis zum Ruhestand ausüben kann, hat er ein Problem. Von Freiberuflern einmal ganz zu schweigen, die stehen dann nah am Ruin. Im übrigen gilt: Bei Spitzenkünstlern wie Chefdirigenten ist Verschwiegenheit in Sachen Gage Usus, gewählte Volksvertreter hingegen sollten den Bürgern schon offenbaren, was sie dem Gemeinwohl wert sind.
Lustige Seiten hat so ein Prüfbericht freilich auch – wenn beispielsweise festgestellt wird, dass manche Instrumentalisten häufiger zum Einsatz kommen als andere. Das zu monieren ist wahrscheinlich schon eine Folge mangelnder Schulbildung insbesondere im musischen Bereich. Stichwort Unterrichtsausfall. Gehörte nicht einst zum Allgemeingut, dass Streicher (das sind die mit dem Bogen in der Hand) in aller Regel mehr Noten (bitte nicht mit Banknoten verwechseln) zu spielen haben als etwa ein Triangel-Spieler (die Triangel übrigens zählt zu den Schlagzeugen und wird zumeist von Herren bedient, die über ein ziemlich umfangreiches Spektrum an weiteren Instrumenten gebieten).
Womöglich entsteht in naher Zukunft eine Art Wissensausgleich, wenn nämlich all jene Damen und Herren, die aufgrund von Stellenabbau und Orchesterfusionen um ihren erübten Erwerb gebracht worden sind, künftig bei den Schulen anklopfen. Gut möglich, dass der Musikunterricht wieder an Qualitäten gewinnt. Unausgelastete Künstlerinnen und Künstler können dann immer noch Nachhilfestunden anbieten, um kühlen Rechnern auf die Sprünge zu helfen. Denn noch (!) hat Sachsen als historisch gewachsene und bislang so gepflegte Kulturlandschaft eine herausragende Stellung inne, die anderswo schon neidische Blicke aufkommen lässt. Dieses Niveau sollte man sich nicht von Erbsenzählen kleinreden lassen.
In der Hoffnung, dass zumindest alle Leserinnen und Leser von Musik in Dresden auch das bekommen, was sie verdienen – herzlich, bis nächsten Freitag –
Michael Ernst