Jubiläen bilden immer einen willkommenen Anlass, auf vergangene Jahre zurückzuschauen, sie dienen aber ebenso dazu, den aktuellen Standpunkt zu bestimmen. Gegenwart, Vergangenheit und auch die Wünsche für die Zukunft rücken in diesem Prisma zusammen. Dem Jubiläumskonzert zum 20jährigen Bestehen des Dresdner Barockorchesters würde man mit einer bloßen Rezension nicht gerecht, damit wäre die besondere Atmosphäre, das Gefühl auf der Bühne und im Publikum unterschlagen. Viele Freunde und Weggefährten des Orchesters waren im Palais im Großen Garten erschienen, einer Spielstätte, in der die Musiker heute quasi den alten Steinen ihre Musik zurückgeben können, die im 18. Jahrhundert in Dresden gespielt wurde.
Vielleicht scheint die Beschäftigung mit den musikalischen Dresdner Hofschätzen heute leichter zu sein als noch vor 20 Jahren, als die konsequente Beschäftigung mit historischer Aufführungspraxis selbst an den Hochschulen noch als "exotisch" tituliert wurde und un-erhörte, unentdeckte Musik in Archiven und Bibliotheken einen Dornröschenschlaf schlummerte. Doch Neugier, Können und Anspruch gingen bei der Gründung des Dresdner Barockorchesters eine glückliche Verbindung ein, die sich bis heute frisch und immer erneuernd gehalten hat. Dass früh eine enge Verbindung zum Dresdner Kammerchor und seinem Leiter Hans-Christoph Rademann geknüpft wurde, erwies sich als gewinnbringend für beide Ensembles. Nicht nur die Oratorien und Kantaten der Großmeister Bach und Händel stellten immer wieder Herausforderungen dar, spannend wurde es ebenso bei den Neuentdeckungen: Welchen Ton schlägt man für Zelenkas harmonische Eskapaden an? Was ist das Geheimnis von Heinichens Messen? Wie zu Hasse einen zeitgemäßen Zugang finden? Nicht nur die Musikwissenschaft stellt sich solche Fragen, das Dresdner Barockorchester ist die "klingende Praxis" und nimmt diese ernst! Schließlich haben wir es bei den Dresdner Kirchenwerken immer auch mit Werken für die Hofkapelle zu tun, deren besondere Fähigkeiten in aller Welt gerühmt wurden. Vielleicht weht von diesem Geist etwas in die Gegenwart herüber?
"Solche Feinigkeit in der Ausführung" bescheinigt denn auch Johann Joachim Quantz dem Dresdner Orchester. Und um diese "Feinigkeit" wissen die Musiker um die Konzermeisterinnen Ulrike Titze und Margret Baumgartl, sie ist in jeder Phrase zu spüren. Vielleicht ist auch hier dieser besondere sächsische Klang spürbar, dieses Wissen um den Klangschatz, der eben nicht mit Tempowahn und Ruppigkeit gehoben wird, sondern vor allem mit Klangempfinden, mit Sinn für gemeinsame Atmung und eine versprachlichte Phrasierung. In vielen Jahren hat man Gleichgesinnte gefunden, feilte am Klang und zeigte sich offen für spezialisierte Instrumentalisten auch aus anderen Städten, die das Bestehende bereichern, das barocke Puzzle komplettieren. Und so staunte man über die kundige Interpretation dessen, was der "Schranck No II", die jüngst in digitalisierter Form erschlossene Sammlung von etwa 1800 Notenmanuskripten aus dem Repertoire der Dresdner Hofkapelle, musikalisch alles zu bieten hat.
Die Auswahl von Suiten und Sinfonien von Hasse, Pisendel, Caldara, Pfeiffer, Brescianello, Graun, Fasch, Sammartini und Händel war facettenreich und bot einen wunderbaren Querschnitt des Dresdner Repertoires im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Viel Eigenes ist da vor allem durch das Wirken von Johann Georg Pisendel entstanden; gleichermaßen geschätzt und gesammelt wurden Musikalien anderer wichtiger Zentren in Europa – Globalisierung war schon damals selbstverständlich. In der Besetzung zeigte sich das Barockorchester vom reinen Streichersatz bis zur festlichen vollen Besetzung mit Hörnern, Trompeten und Pauken. Stilsicher verlieh das Orchester den Tanz- und Ouvertürensätzen die charakteristische Farbe, traten Flöten und Oboen solistisch hervor, immer auf der sicheren Basis des Continuos um Michaela Hasselt. "Gloria Dresdensis" war ein freudiges Fest der Barockmusik und ein – eigentlich unnötiger – Beweis, dass Dresden mit dem Dresdner Barockorchester ein Kulturgut besitzt, das die Musikschätze der Stadt auf sehr hohem Niveau lebendig hält. Und das bitte auch (mindestens) die nächsten zwanzig Jahre. Gratulation!