Ein abendlicher Empfang der Sächsischen Staatskapelle Dresden in Peking ist im schönsten Schwange, da pirscht sich ein Kapellbratscher an den Journalisten heran. Ob man sich eigentlich demnächst auf einer der Jubiläumskonzerte des "Wenzel-Orchesters" wiedersehe? Dieses Orchester, sagt Ralf Dietze ernst und stolz, sei doch eigentlich die Initialzündung für so viele Dresdner Musikerkarrieren, seine nicht ausgenommen! Und so tauschen wir achttausend Kilometer von Dresden entfernt Erinnerungen aus, an Konzerte, an schöne und kuriose Erlebnisse…
Das Dresdner Jugendsinfonieorchester, 1962 gegründet als "Streichorchester des Pionierpalastes Dresden" und heute beheimatet am Heinrich-Schütz-Konservatorium, ist seit fünfzig Jahren eines der tonangebenden Laienensembles der Stadt. Seine Dirigenten – Christoph Zeeh zuerst, ab 1973 Marko Mitzscherling, seit 1997 Milko Kersten – begeisterten Jahrgang für Jahrgang junge Musikschüler für die sinfonische Musik, forderten und förderten, weckten die Lust am gemeinsamen Orchesterspiel, kitzelten den Ehrgeiz jedes Einzelnen. Bis heute – das zeigt die immer noch gängige Bezeichnung "Wenzelorchester" – wirkt auch und vor allem die Ära von Harald Wenzel nach. 1981 zum Orchesterleiter berufen, bezog der studierte Geiger und Orchesterdirektor der hiesigen Musikhochschule Studenten der Dirigierklassen als Assistenten und Registerprobenleiter in die Arbeit ein und formte über sechzehn Jahre einen feinen, wiedererkennbaren Streicherklang, der eine der Keimzellen für den vielbeschworenen "Dresdner Klang" ist; so formuliert es feinsinnig der Schirmherr des Orchesterjubiläums, Philharmonie-Chefdirigent Michael Sanderling.
Auch Milko Kersten wurde von Harald Wenzel an den Dirigierberuf herangeführt. Während des Studiums absolvierte er ein Dirigierpraktikum beim Orchester; 1997 erreichte ihn die Anfrage, ob er sich vorstellen könnte, den Klangkörper zu leiten. "Mich lockte damals die Festanstellung," gibt Milko Kersten gern zu, "und mittlerweile ist mir das eine sehr liebe Arbeit geworden." Die prägende Wirkung könne man gar nicht überschätzen; das Glücksgefühl, in einem solchen Ensemble mitspielen zu dürfen, wirke tief und nachhaltig, hat er über die Jahre beobachtet. Hier trainieren junge Musiker Toleranz und Verantwortung gleichermaßen; kein Wunder also: "Unsere Musiker sind meist die, die auch beruflich große Erfolge haben," sagt der Dirigent.
Auf der einen Seite also ist es eine Auszeichnung, wenn ehemalige Orchestermitglieder heute in der Dresdner Philharmonie, in der Staatskapelle oder anderen hochkarätigen Orchestern spielen. Bedeutend wichtiger jedoch ist ein anderer Effekt, den auch Milko Kersten beobachtet: "Diejenigen, die einmal im Jugendorchester aktiv waren, sind später ein interessiertes und wissendes Publikum!" Bedürfnisse nach musikalischen Erlebnissen, nach Qualität und emotionaler Intensität zu wecken und zu prägen, sei ihm wichtig, sagt der Dirigent. "DJSOler werden in der Regel Konzerthörer, die sich nicht nur passiv berieseln lassen, sondern aktiv zuhören, emotional mitempfinden und sich so bereichern. Daraus entwickelt sich ein Lebensplus!" So ist das Dresdner Jugendsinfonieorchester eben auch einer der wichtigsten Katalysatoren des Dresdner Kulturlebens. Oft blitzen die Augen auf, wenn die Sprache auf das DJSO kommt: bei der jungen Assistenzärztin in den Radebeuler Elblandkliniken; der Musiklehrerin eines Dresdner Gymnasiums, dem Lehrbeauftragten im Fachbereich Elektrotechnik an der TU Dresden; dem Sparkassen-Manager wie dem Musikkritiker der Sächsischen Zeitung…
Zum anstehenden Jubiläumswochenende haben sich nun über einhundert Ehemalige aller Orchestergenerationen angekündigt, um im Orchester-Chor-Tanz-Zentrum "An der Loge" gemeinsam zu proben und am Samstag Abend im Hygienemuseum ein großes Festkonzert zu geben. Eine Gesprächsrunde mit Ludwig Güttler über die "Musische Bildung in Dresden" steht ebenso auf dem Programm wie kleine Kammermusikrunden und ein Meisterkurs für Musikschüler. »Musik in Dresden« unterstützt das Orchester dabei als Medienpartner.
Alle Informationen: www.djso.de
Eine Textfassung ist am 14. November 2012 in der "Sächsischen Zeitung" erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.