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Räte der Stadt, hört auf eure Dirigenten!

Ein Beileid und zwei Gratulationen: Wolfgang Hänsch hat seinen Prozess um die Unantastbarkeit des von ihm entworfenen Kulturpalastes verloren. Wenige Tage nach diesem Gerichtsurteil durften zwei in Berlin lebende Dirigenten ihren 70. Geburtstag feiern. Lothar Zagrosek, der wiederholt am Pult der Dresdner Philharmonie stand, genießt nach seinem Abschied vom Konzerthausorchester der Spree-Hauptstadt das Rentnerdasein, die künstlerische Freiheit sowie sein Haus in Italien. Der einstige Generalmusikdirektor der Oper Leipzig, der als GMD der Staatsoper Stuttgart mehrfach den von der Zeitschrift Opernwelt vergebenen Titel „Oper des Jahres“ mit einspielen konnte, hatte die „harte Akustik“ der Kulturpalastes beizeiten erfahren, würdigte im Gegenzug aber stets „die unglaubliche Aufmerksamkeit des Publikums“, die viel an Äußerlichkeiten für ihn wettgemacht habe. Auch dieser Dirigent plädierte für ein Konzerthaus in Dresden: „Etwas wirklich Neues wäre dem Rang der Musikstadt absolut angemessen.“

Doch die Stadt hört nicht auf ihre Gäste. Sie hat nicht mal auf die Vereinbarungen mit ihrem Philharmoniker-Chef Marek Janowski gehört, der seine Vertragspartner der Lüge zieh und sie nach nur zwei Jahren mit ihrem schönen „Kulti“ sitzen ließ.

Der zweite jetzt 70 gewordene Dirigent, der 1942 in Buenos Aires geborene Daniel Barenboim, wurde ungemein reicher beschenkt. Und er beschenkte sich selbst – wie sein Publikum – mit einem Konzert. Feiern kann man ja immer noch. Etwa wenn seine für das Jahr 2015 geplante Musikakademie eröffnet wird, deren Finanzrahmen just zum Geburtstag noch einmal öffentlich abgesteckt worden ist. Zwanzig Millionen Euro vom Bund, acht Millionen von privaten Spendern – und offenbar gibt es in Berlin nicht mal Streit um dieses Projekt. Im einstigen Magazingebäude der Staatsoper Unter den Linden soll mit diesem Geld und viel gutem Willen ein Konzertsaal entstehen, der als Akademie für Musiker aus dem Nahen Osten ein hoffnungsvolles Zeichen zur Überwindung der hasserfüllten Sprachlosigkeit zwischen Palästinensern und Israelis setzen könnte. Kulturvoller als das momentane Geschehen in diesem unheiligen Land ist es allemal. Und es gibt nachträglich einer jungen Konzertbesucherin Recht, die beim legendären Auftritt von Barenboims gemeinsam mit dem Dichter Edward Said gegründeten West-Eastern Divan Orchestra in Ramallah gesagt haben soll, Barenboim sei für sie das erste, was aus Israel kommt und kein Soldat und kein Panzer ist.

Architekt Frank Gehry und der Akustiker Yasuhisa Toyota arbeiten angeblich unentgeltlich für dieses Projekt. Auch das ist ein Zeichen. Würde man in Dresden so ein Geschenk überhaupt annehmen? Ohne Gedöns? Wie man sieht, braucht ein solches Projekt stets einen zugkräftigen Namen und einen Menschen, der sich durchsetzen kann. Mit Christian Thielemann hat die Stadt jetzt eine solche Persönlichkeit. Es wäre schade, wenn man bis zu Thielemanns 70. Geburtstag mit der Umsetzung einer solchen Idee ausharren müsste!

Also erst einmal wieder bis nächsten Freitag – 
Michael Ernst

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