Michael Sanderling in dieser schwierigen Zeit als künstlerischen, aber auch kulturpolitisch engagierten Chef am Pult der Philharmonie zu wissen, stärkt und macht Mut. Diesen familiären Geist zwischen Dirigent, Orchester und Publikum atmeten auch die letzten Anrechtskonzerte des Jahres im Albertinum.
So war es auch gefahrlos möglich, das Programm um ein Hauptwerk herum zu stricken, das an sich kaum Zugkraft hat. Peter Tschaikowskis Dritte Sinfonie op. 29 dauert eine Dreiviertelstunde, und: ja, sie dauert. Ein paar feine Effekte im Orchesterklang, unauffällige Themen – es ist schon eine beachtliche Leistung, einen inhaltlich eher mauen Fünfsätzer, der in dieser Spielzeit in seiner Uraufführungsstadt Moskau (soweit ich sehe) nicht ein einziges Mal auf den Konzertprogrammen steht, stimmig nach Hause zu bringen. Sanderling gelang es – und noch mehr. Unter seiner Leitung erblühten kleine Details, die auf die späteren Großtaten des Komponisten zu verweisen scheinen; Momente stiller Introspektion waren da auszumachen wie edle Grandeur. Alles in allem ein überzeugendes Plädoyer, sich vielleicht doch öfter um diese frühe Sinfonie zu bemühen.
Klug kombiniert war dies heute nahezu vergessene Werk eines hervorragenden Komponisten mit dem hervorragenden Werk eines heute nahezu vergessenen Kollegen: Anatoli Ljadow, vor hundert Jahren Kompositionsprofessor am Petersburger Konservatorium, glückte mit der kleinen „Legende für Orchester op.62“ ein impressionistisch schillerndes Klangzauberwerk. Das märchenhafte Tonbildnis eines „verzauberten Sees“ – so der programmatische Titel – ließen die Philharmoniker aus einem märchenhaften Pianissimo heraus erstehen; und mit einer Detailverliebtheit! Jedes Wasserkräuseln, jeden feinen Lufthauch meinte man zu hören: bis auf die Intonationswackler in den Holzbläsern ein gelungenes kleines Zauberkunststück.
Schulterzucken hinterließ daneben das hundertmal gehörte Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel. Den ersten Satz ging das Orchester zögerlich an, insgesamt fehlte es an dem Knusperfaktor, den so ein Paradestückchen braucht. Die Solistin Tine Thing Helseth bemühte sich um Tonschönheit, vergaß darüber allerdings die großen Bögen und kämpfte mit Anspracheproblemen. Mit einem ins Seichte ver-arrangierten „Hört der Engel helle Lieder“ war das Publikum am Vorweihnachtsabend indes umgehend versöhnt – und verabschiedete sich festlich gelaunt in die Feiertage.
Eine Textfassung des Artikels ist am 27. Dezember 2012 in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.