Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort, auch mit dem gesungenen. Deswegen eröffnete am Montag nicht die altehrwürdige Kapelle des einstigen "Königlichen Hofkapellmeisters" Richard Wagner das Jubiläumsjahr in Dresden – sondern das quicke Hochschulorchester mit einer Kammerorchesterfassung der "Wesendonck-Lieder". Im schwanenweißen neuen Hochschulsaal hatten die Musiker unter der Leitung des Gastdirigenten Zsolt Nagy eine Woche lang einen facettenreichen Querschnitt der Orchesterliteratur einstudiert. Die Überschrift des Abends: "Wagner & Folgen" – das offenbarte einige interessante, wenn auch lose geknüpfte Beziehungsfäden. Wer wollte, konnte Zusammenhängen nachspüren zwischen den Flötenschwelgereien in Claude Debussys "Prélude à l'après-midi d'un Faune" und wie zufällig zusammengewürfelten Bläserpassagen in Witold Lutoslawskis "Venezianischen Spielen"; zwischen dem "Siegfried-Idyll", das Wagner seiner Cosima zum Geburtstag schenkte, und dem "Mephisto Walzer Nr. 1" von Schwiegervater Franz Liszt. Herzstück des Konzerts waren die von Hans Werner Henze instrumentierten Wagnerschen Wesendonck-Lieder. Henriette Gödde überzeugte: ein hypnotisch dichtes "Im Treibhaus", tiefe, duftende "Träume" – das waren komplexe, gut ausgereifte Interpretationen der jungen Altistin. Außer bei Liszt überzeugten dagegen die Leistungen der Orchestermusiker noch nicht. Im Debussy, im Lutoslawski, aber auch in dem nicht allzuschwierigen "Siegfried-Idyll" des Jubilars blieben durch unsichere Einsätze, wenig beherzte Ausformung des Klangs und manchen kleinen Lapsus Wünsche offen, und dem Dirigenten blieb wenig Spielraum, um an ästhetischen Ideen zu feilen. Ein Kritikpunkt durchweg dabei: die Pianokultur! Misst sich doch daran gerade an schwülen Faunsnachmittagen und in Begleitsituationen von Solostimmen die Qualität eines Ensembles. Mehr Besucher hätten die Mitwirkenden in jedem Falle verdient gehabt: die vielen leeren Reihen bei so einem wichtigen Konzert wirkten etwas peinlich.
Vor den Türen, in den Foyers ist nun noch bis Juli eine kleine Ausstellung mit dem Leitmotiv "Wagner" zu sehen, die vor Konzertbeginn eröffnet wurde. Auf dass die Absolventen des Hauses im Sommer inspiriert entlassen werden: "Genug des Werdens, laß mich sein!" (Mathilde Wesendonck)
Das Konzertprogramm "Wagner & Folgen" wird am 26. Januar um 19.30 Uhr am selben Ort wiederholt. Dirigent ist dann Ekkehard Klemm.
Eine Textfassung des Artikels ist am 9. Januar in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.