Die aus Berlin stammende Pianistin Antje Rößeler spielt heute Abend um 21 Uhr ihr Abschiedskonzert von ihrer Wahlheimat Dresden. Den Weg zum Auftrittsort Jazzclub Tonne wird sie von Berlin aus antreten. Im Moment verbringt sie dort mit ihren Triopartnern eine zweitägige Studiosession, um ihr aktuelles Repertoire aufzunehmen. Sowohl beim Konzert als auch im Studio wird sie vom stilistisch vielseitigen, stabilen Spiel des Bassisten Sebastian „Brauni“ Braun und den klangorientierten, melodischen Linien von Leon Griese am Schlagzeug unterstützt. Der Auftritt im Jazzclub Tonne wird für Antje Rößeler eine besondere Station vor einer großen Reise sein: nach dem Konzert macht sie sich auf den Weg zum Flieger, um für ein halbes Jahr in Schweden Jazzklavier zu studieren.
Die Kompositionen von Antje Rößeler sind phantasievolle, filigrane Stücke, die ins Ohr gehen. Sie lassen der Vorstellungskraft des Zuhörers dennoch einen angenehm inspirierenden Raum. Antje Rößelers Ideen sowie deren Interpretationen zeichnen sich desweiteren durch eine künstlerische Tiefe und rhythmische Präzision aus, die gepaart mit frei angelegten Improvisationen ein facettenreiches Repertoire bieten. Oft die Natur oder Naturereignisse zum Vorbild nehmend, lässt die junge Pianistin die Impressionen unterschiedlichster Art zum Anlaß eines neuen Stückes werden. So zum Beispiel „Raindrops“, bei dem die Vorstellung, wie Regentropfen auf dem Dach ihres Zeltes tanzen, zu einem humorvollen, rhythmisch witzigem und eingängigen Stück gewachsen sind. Auch das lange, intensive Betrachten eines Baums hat sie bereits inspiriert. In „Der Baum“ spürt man in kristallinen Klaviercollagen die Zeit voranschreiten. Vielleicht hört man in den atmosphärischen, vielseitigen Stimmungen das geduldig wachsende Lebewesen selbst, welches mit sich und der sich ständig verändernden Umwelt eins zu sein scheint.
Zu den neueren Stücken gehört „Sonnenuntergang“: „Ich schreibe viel über Dinge, die mich über eine längere Zeit beschäftigen.“ erläutert die junge Künstlerin. So habe ich die Idee, über eine untergehende Sonne zu schreiben, bereits lang in mir getragen, und bin mir sicher, daß sich die Komposition über die Zeit noch verändern wird.“ und fügt lachend an: „Mich würde es nicht wundern, wenn ich als Kind bereits die Idee der Sonnenuntergänge anskizziert haben sollte.“
Desweiteren wird im Konzert morgen auch das Stück „Schifffahrt“ zu hören sein. Antje Rößeler habe die Idee des sich-auf-den-Weg-Machens mit einer bewegten Ankunft auf dem offenen Meer verbunden. „Für mich ist aber auch der Rückweg interessant, und in jeder Aufführung klingt das Stück anders, denn viele Teile sind offen gehalten, so daß wir uns instrumental jedes Mal entsprechend des aktuellen Befindens einbringen können.“ erklärt Antje Rößeler.
Ihr Talent und die Leidenschaft für die Musik ist über viele Jahre gewachsen. So hat sich Antje Rößeler bereits in ihrer Kindheit intensiv mit Klängen auseinandergesetzt, denn sie ist in eine musikalische Familie hineingeboren worden. Ihre Eltern und Schwester Lisa sind beruflich Streichinstrumentalisten in klassischen Formationen. Der Vater Thomas Rößeler zum Beispiel spielt im Deutschen Symphonieorchester Berlin Violoncello.
Entgegengesetzt dem Trend in der Familie hat sich die junge Antje Rößeler jedoch bald in die 88 schwarzen und weißen Tasten verliebt. Unterstützt von ihren Eltern begann sie bald einen produktiven Klavierunterricht, um ihren eigenen musikalischen Ideen Ausdruck zu verleihen. Auch vom Genre her ging sie eigene Wege, und wandte sich seit früher Jugend dem Jazz zu.
Ihren Triopartner Leon Griese, selbst gebürtiger Berliner, hat sie übrigens in der studienvorbereitenden Ausbildung in Berlin kennengelernt. Schon damals spielten die beiden in Trio-, Quintett- und Bigbandformationen gemeinsam. Inzwischen studieren beide Jungjazzer an der Hochschule für Musik in Dresden, und haben sich für ihr Trioprojekt den Bassisten Sebastian „Brauni“ Braun (27) ins Boot geholt.
Leon Griese (23) ist von der Konstellation begeistert: „Wir haben uns in der Hochschule zu dritt zusammengetan, um von Anfang an auf unkomplizierte Art uns den Stücken und Ideen widmen zu können“ erklärt der selbst komponierende Schlagzeuger. „Das Konzert morgen wird natürlich, wie auch die aktuellen Aufnahmen, einen Abschluß unserer sehr angenehmen und produktiven Zusammenarbeit bilden. Die Stücke werden also in dieser Form, wie sie sich über die letzten 2 ½ Jahre entwickelt haben, nie wieder zu hören sein. Das ist einerseits vielleicht ein bißchen traurig, aber andererseits freuen wir uns auf alle Dinge, mit denen wir uns in der Zukunft beschäftigen werden.“
Im Abschiedskonzert werden übrigens „Nachtblau“ und „Wintersonne“ von Leon Griese aufgeführt.
Auf die Frage, ob sich das Trio denn auflösen würde, antwortet Antje Rößeler in bestimmtem Ton: „Nein, wir suchen sogar noch nach einem etwas phantasievolleren Namen, bis jetzt ist uns noch nichts eingefallen. Ich werde in Stockholm erst mal weitere Stücke schreiben und viel ausprobieren, und dann mit ganz neuen Ideen wiederkommen. Mal sehen, wie sich das alles eintakten wird, bin jedenfalls sehr gespannt!“
Auch der Stralsunder Jungjazzer Sebastian Braun betont, daß der Auftritt in der Tonne für ihn nur ein vorerst notwendiger Abschluß eines intensiven musikalischen Austauschs ist. „Wir haben uns gegenseitig Kraft und Räume gegeben, Stücke zu schreiben und sie auszuprobieren, immer wieder zu erweitern oder gar zu vollenden.“ Das Trio ist sich einig, dass es eine gute Idee war, vor Antje Rößelers Abreise nach Stockholm ins Studio zu gehen, und die Resultate musikalisch festzuhalten.
Hoffen wir, daß das Konzert Antje Rößeler nicht in die Lage ihrer witzigen Komposition namens „Zug verpaßt“ bringt, denn zum Flughafen möchte sie es dann bis pünktlich Sonntag mittag schaffen – Stockholm wartet!