„A“ wie Adam – geht gar nicht anders. Der Wagnersänger aus Dresden – nur dass er in seiner Heimatstadt so oft nicht zu erleben war! – als Wotan, König Heinrich, Hans Sachs oder als Amfortas; rasch zog es ihn nach Berlin an die Staatsoper, und dann zog er um die Welt. Er blieb ein Reisekader in Sachen Kunst und für ihn ging nicht nur der eiserne Vorhang auf, auch die Mauer konnte dem Klang seiner Stimme nicht Stand halten: Theo Adam.
Folge ich Werner P. Seiferts Buch über die Wagneraufführungen in der DDR, dann übernahm der Bassbariton im „Tannhäuser“ von 1949 im Großen Haus (der ersten Inszenierung einer Wagneroper nach dem Krieg in Dresden) in Folgevorstellungen die Partie des Biterolf. Immerhin folgte er keinem Geringeren als Heinrich Pflanzl nach. Ein Jahr später gibt es in neuer Inszenierung „Die Meistersinger von Nürnberg“, Theo Adam wird einmal ein erfolgreicher Hans Sachs sein – jetzt steigt er später ein, als Pogner, in der Premiere singt Kurt Böhme. Aber dann, 1953, im neuen Dresdner „Lohengrin“, ist er Premierenbesetzung als König Heinrich. Die Partie wird ihm auch andernorts Reputation bringen.
In der neuen „Walküre“ von 1954 – einen ganzen Ring wird es in Dresden erst nach 1989 wieder geben – steigt Theo Adam als Bösewicht Hunding ein; als Sigmund kommt sogar Max Lorenz als Gast nach Dresden. Adam gehört jetzt dem Ensemble der Berliner Staatsoper an. In Dresden kommt er vorbei: als Landgraf in „Tannhäuser“, in der Wiederaufnahme der Produktion von 1949.
Als 1955 die Staatsoper in Berlin wieder eröffnet wird, gehört Theo Adam als Pogner zum Festtagsensemble unter der Leitung von Franz Konwitschny. Für den Sachs hat man mit Josef Hermann noch einen Sänger aus der großen Wagnertradition. 1957 hat der Sänger dann eine große Premiere in Dresden: er ist König Marke in der Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“, Tristan ist Max Lorenz, am Pult Franz Konwitschny, später übernehmen Hans Knappertsbusch und Horst Stein. Für diese Inszenierung wird sogar ein Star wie Astrid Varnay nach Dresden kommen! Ludmila Dvorakova und Hanne-Lore Kuhse singen die Isolde, aber dazu unter „D“ und „K“ dann mehr… Lovro von Matacic dirigiert „Das Rheingold“ zur Premiere, am 25. Dezember 1957 im Dresdner Großen Haus. Theo Adam ist der Wotan, in der „Walküre“ von 1959, die zehn Jahre später wieder aufgenommen wird zunächst als Hunding, dann auch als Wotan in Dresden zu Gast, auch zur Wiederaufnahme der „Meistersinger“. Im Januar 1962 ist er noch als Pogner dabei, später aber doch zur Freude seiner Dresdner Fans als Hans Sachs. Er macht als Landgraf in „Tannhäuser“ Station in seiner Heimat, er übernimmt die Partie des Holländers in der Dresdner Inszenierung von 1963, am Pult Otmar Suitner. Zur Premiere war das Antonin Svorc, der Prager an der Berliner Staatsoper, mit dem er auch dort in dieser Partie (Premiere am 3. Oktober 1968 mit Kurt Moll, Liane Synek, Martin Ritzmann und Gertrud Prenzlow) alternieren wird. Aber hier, und später auch als Barak in „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss bleibt Adam im Schatten des stimmgewaltigeren Tschechen.
Inzwischen hatte Theo Adam aber den Grünen Hügel von Bayreuth erklommen: richtig, als Wotan. Sein Debüt hatte er schon 1952 gegeben. Von Bayreuth ist der Weg nicht weit nach New York, Wien oder Salzburg, in Frankfurt hatte er ja schon längst einen Gastvertrag, und Adam singt an der Met. Karajahn nimmt in Dresden für die EMI „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf, Adam als Hans Sachs, René Kollo als Stolzing, Helen Donath als Eva. Der Aufstieg ist unaufhaltsam, alle Preise, die die DDR vergeben kann, bekommt der Kulturbotschafter aus Dresden. Nationalpreis, Johannes-R.-Becher-Medaille, Vaterländischer Verdienstorden. Zum Ausgleich wird er Bayerischer Kammersänger und erhält später das Bundesverdienstkreuz.
Welch Glück, dass es noch einen Sachsen gibt, dessen Aufstieg ähnlich ist, wenn auch, mal abgesehen von der Partie des David oder des jungen Steuermannes, um ganz andere musikalische Bereiche geht: Peter Schreier. 1975 singt Adam in der Tristan-Inszenierung von Harry Kupfer unter Marek Janowski neben Ingeborg Zobel und Spas Wenkoff den König Marke. Seine Klage, „Tatest Du’s wirklich, Tristan, mein Freund..“, im zweiten Aufzug, wird wer dabei war nicht vergessen. Ebenso sein Abschied von Brünnhilde in der „Walküre“, in Berlin, in Dresden, in Bayreuth, man hatte ja den Westrundfunk, da gab es große Momente, auch wenn letztlich Theo Adam wohl doch nicht zu den ganz großen Wagnersängern gehört.
Ein wirklich großer Sänger dieses Faches, George London, wäre der Bayreuther Wotan in der Neuproduktion von Wieland Wagner 1965 gewesen. Aber London musste aus gesundheitlichen Gründen schon 1967 seine Karriere beenden. Adam übernahm und hielt lange aus und durch. Erstaunlich aber, dass so renommierte Autoren wie Jürgen Kesting oder Jens Malte Fischer in ihren Standartwerken „Die großen Sänger unseres Jahrhunderts“ und „Große Stimmen“ Herrn Adam kein Kapitel widmen. Er wird erwähnt, aber eher kritisch. Fischer schreibt, man hätte sich eben mit einem Sänger wie Theo Adam zufriedengeben müssen. 1977 ist er der Amfortas in Kupfers Berliner Inszenierung des „Parsifal“, fast zehn Jahre später inszeniert er selbst das Werk in der neuen Semperoper: Jubel in Dresden, Häme andernorts für das fromme Bilderbuch. Einen Ring gab es, wie schon gesagt, nicht in Dresden zu Zeiten der DDR. Aber es gab eine Aufnahme mit der Staatskapelle unter Marek Janowski bei VEB ETERNA in Zusammenarbeit mit ARIOLA. Janowski setze durch, jeweils nach Abschluss der Studioarbeit die Werke 1980, 1981, 1982 und 1983 als konzertante Aufführungen im Kulturpalast zu dirigieren. Adam – als Wotan – begeisterte im Ensemble erster internationaler Sängerinnen und Sänger. Ich erinnere mich an grandiose Abende: die Frage der Akustik oder der Architektur spielte keine Rolle…
Christine Militz brachte 1983 ihre Sicht auf „Lohengrin“ heraus, die jüngst wieder in der Semperoper unter Christian Thielemann eher musikalisch denn szenisch überzeugte. Wagner in Dresden ohne Theo Adam? Nicht lange. In Wolfgang Wagners Bayreuther Märchenbuch von den Nürnberger Meistersingern unter hessischen Tanzlinden, ab Dezember 1985 auf der Bühne der neuen Semperoper, kommt Theo Adam als Hans Sachs zurück. Lucia Popp als Eva, ein wahres Weihnachtsgeschenk für die Dresdner und für Wagnerfans in Bussen aus dem Westen, die sich Bayreuth nicht leisten können, keine Karten bekommen, vor allem aber hier Wagner so sehen können, wie er eigentlich auch zu dieser Zeit schon nirgendwo mehr zu sehen ist. Kurz vor Ende der DDR inszeniert Wolfgang Wagner noch „Der Fliegende Holländer“ in Dresden, zur Premiere mit Ekkehard Wlaschiha in der Titelpartie, Theo Adam kommt manchmal noch als Gast.
Und dann – es ist kurios – wird der weltbekannte Sänger ausgebuht, ausgerechnet in Dresden! Nicht in der Oper; davor, auf dem Opernplatz. Eigentlich waren die Messen ja gelesen, aber in der Kunststadt Dresden brachten am 19. November die Künstler noch mal fünfzigtausend Menschen zur Künstlerdemonstration auf die Beine. Die Dresdner Weltkünstler Peter Schreier und Theo Adam schickten Telegramme; sie waren mal wieder im Westen. Das fanden die Leute, wahrscheinlich nicht die Dresdner Operngemeinde, nicht so toll. Aber wenn Theo Adam hier sang, konnte er sich auf sein Publikum verlassen. Mit Wagner wars dann vorbei: als Eremit, im „Freischütz“, am 2. Dezember 2006, nahm er Abschied von der Bühne, nach 57 Jahren. 1949 hatte er sie erstmals betreten, erstes Engagement an der Staatsoper.