"Versucht man, die »Feen« unvoreingenommen zu hören, muss man zugeben: es hätte auch sein können, dass aus dem jungen Sachsen nichts wird," schreibt Christian Thielemann. Richard Wagners Opern-Erstling sei "einfach zu schwach", urteilte auch der Tenor Arnold Bezuyen im Gespräch. Knapp vier Stunden dauert das an vielen Stellen noch recht plumpe Werk. Trotzdem hat die Geburtsstadt des Komponisten nun – im Jubiläumsjahr weltweit einzigartig – "Die Feen" auf dem Spielplan, nachdem sie seinerzeit die Uraufführung abgelehnt hatte; und damit angeblich sogar die termingehetzten Wagner-Schwestern vom Grünen Hügel heruntergelockt.
Der Fokus der Inszenierung, behaupten Regisseur Renaud Doucet und Ausstatter André Barbe bescheiden, habe auf der "Kraft der Musik" gelegen. Das mag als Ur-Idee getaugt haben. Aber ohne die verblüffenden szenischen Einfälle dürfte dem Hörer die Zeit lang werden; für die konzertante Aufführung im Juli in Bayreuth schwant dem Rezensenten daher Übles. Das Gewandhausorchester half auch nicht eben, diese Musik ins Herz zu schließen: farblos und unambitioniert war, was unter Ulf Schirmers Leitung zur Premiere aus dem Graben klapperte. Falsche Einsätze und holpernde Tempowechsel waren nicht zu überhören; nicht selten war das Orchester den Sängern hinterher oder dem Chor voraus.
"Trotz gravierender Kürzungen des Werkes wurde die Uraufführung ein überwältigender Erfolg," berichtet das Programmheft. Die hätten in Leipzig indes noch beherzter ausfallen dürfen. Die Ouvertüre zerdehnt sich, hilflos rücken und springen die Tonarten von Bruchstück zu Bruchstück, und dann diese Texte von der Qualität selbstgeschmiedeter Geburtstagsreime: "Was ist wohl die Bedeutung, von dem, was er beschwur?" Gute Güte! Die Musik ist am kurzweiligsten, wenn Wagner mutig plagiiert; sie klingt dann, als hätte ein achtjähriger Mozart den Stoff in Angriff genommen. Am schwersten ist sie zu ertragen, wenn der zwanzigjährige Tonschöpfer in die eherne Pathostruhe greift – und doch nur leere Tremoli und Paukengedöns hervorangelt.
Das Libretto hat es nicht verdient, hier wiedergegeben zu werden. Ein Frageverbot und heftiges Liebesstammeln, leeres Rüstungsgeklapper, Feen und Ritterwelt, Orpheus und Zauberflöte, Hamlet und Wolfsschlucht sind auf einen großen Haufen geworfen; es ist schon fast komisch, welche erzählerischen Ab- und Umwege Wagner sein kaum zu überblickendes Personal nehmen lässt, um ein möglichst romantisch-dramatisch tönendes Riesenwerk zu schaffen.
Warum es sich trotzdem unbedingt lohnt, nach Leipzig zu pilgern, um das Stück mitzunehmen? Weil das Regieteam eine kuriose Grundidee konsequent zu Ende gedacht hat, deretwegen es Spaß macht, dranzubleiben: der Hauptheld, augenscheinlich ein feister und bisschen ängstlicher Leipziger Strickjacken-Pensionär, bleibt auf der Bühne beim Senderzappen zufällig auf MDR Figaro hängen; der Sender überträgt gerade die "Feen". Interessiert lümmelt er sich aufs Sofa und vergräbt sich ins Libretto – um für die nächsten Stunden als strahlender Held durch Ritter- und Feenwelten zu träumen… Neben Christiane Libor, die die Fee Ada skandalös gut singt, wirkt der anfangs erwähnte Arnold Bezuyen mit seinem gen Ende arg gequetschten Tenor in dieser Sofa-Rolle wie ein zu heiß entflammter Möchtegern. Stimmlich wie szenisch wird der Tenor von seinen Bühnenpartnerinnen den Abend über an die Wand geblasen, und füllt die Regie-Idee des überforderten Pantoffelhelden perfekt aus. Er müsste jetzt nur noch etwas schlechter singen!
Richard Wagner, "Die Feen", wieder am 24.2., 7.4., 20.4., 24.5. Kartentelefon
Eine Textfassung des Artikels ist am 18. Februar in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.