Becca Stevens hatte am Freitag abend zum Auftritt im Jazzclub Tonne alles im Griff. Sie und ihre Band spielten die ideenreichen Arrangements der neuen Stücke von Weightless in einer harmonierenden Art und Weise, als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht. Das Publikum begeisterte die in North-Carolina geborene Jazzsängerin mit ihrem bemerkenswerten Talent, aber mit einer erstaunlich lockeren Natürlichkeit, die das Konzert zum besonderen Erlebnis machte.
Dabei war sie wohl selbst ihre kritischste Hörerin. Vor fast jedem Song stimmte die 28-jährige ihre insgesamt drei Zupfinstrumente, je Ukulele, Gitarre oder Charango, hielt einen unaufdringlichen, aber stets kontrollierenden Blickkontakt mit ihren Mitmusikern, und involvierte den Tonmeister Volker Pöckel in ihre Soundvorstellungen auch konstant während des Konzertes. Sie blieb locker, als es beim häufigen Instrumentenwechsel auch mal zu kleinen Verstärkungsproblemen kam. Das Publikum amüsierte sich köstlich, als sie das feine Fiepen der Verstärker als Feengesang bezeichnete. „Don´t get me wrong, I really do like fairies. But maybe we can play this song without them?”
Besonders das erste Set von Becca Stevens und Band war dynamisch wunderbar gestaltet. In den dreimal drei Songs konnte man die gesungenen Lebensgeschichten der Wahl-New-Yorkerin regelrecht genießen. Ein sanftes »Tillery«, das im Laufe seiner acht Tonne-Minuten richtig aufgeblüht ist, machte den gelungenen Anfang. In vollen Tönen zum Höhepunkt konnte man fast eine triumphale Fülle spüren.
Auch alles nach dem ersten Song hat sich nicht etwa in den Schatten des Openers gestellt. Mit einem perfekt austachiertem dreistimmigem Intro gings weiter. Die Becca-Stevens-Komposition »I´ll notice« bezauberte erst a capella, später mit einem folkig leichten, fast marschartigem Groove im Fundament. Überraschende Stops, in die Becca mit glockenreiner, natürlich voller Stimme hineinsolierte, gaben der dynamischen Entwicklung über das Lied hinweg eine angenehme Wendung.
Das sanfte »No More« strahlte als dritter Song eine wunderbare Gänsehautatmosphäre aus. Zwischen Dur und Moll schwebend, besingte Becca erst zart, dann fordernd die Wellen des Meeres, die keine salzigen Heart-Break-Tränen mehr von ihr wollten. Mit niedlichem New Yorker Akzent gab die Sängerin aus den Südstaaten (geboren in North-Carolina) dem „More“ einen fast witzigen, ostküstentypischen Zungenschlag. Sie scheint sich in ihrer neuen Heimat also wohlzufühlen. Das Arrangement, in dem man die Wogen der Wellen regelrecht spüren konnte, nahm den Zuhörer auf eine Reise an ein sanft rauschendes Meer, wo im Liedtext, aber auch in der Musik klar wurde, dass unstimmige Liebeslieder dort unerwünschte Verweiler sind.
Einen herausfallenden vokalen Sound lieferte Becca Stevens im bald folgenden »Imperfect«. Sie phrasierte Katy Perry ähnlich über den vielleicht coolsten Drumbeat des Abends, bei dem ihr Schlagzeuger Jordan Perlson brillierte, ohne dabei aus seiner optisch lässigen, scheinbaren Unbeteiligtheit aufzuwachen. Die zwei Cover des ersten Sets hat die junge Sängerin im Vergleich zu den Originalen aufgewertet. Nehmen wir mal »Thinkin about you« (Frank Ocean, High5Collective), bei dem von der Stringenz im Songwriting her nur die erste Strophe überzeugend scheint. Becca Stevens ist es gelungen, den Song mit ihrer warmen und weichen Art bis zum Schluß persönlich zu gestalten, ohne die hippe Lässigkeit des Originals zu verlieren.
Ebenso wertete die geschickt begleitende Becca Stevens den Hit »There is still a light« (Johnny Marr/Morrissey bzw. The Smiths) mit einer langsameren Tempowahl und fast folkigem Sound auf. Im Schlagzeug schien das Klackern noch lange nachzuhallen, und die gesamte Band unterstützte diesen interessanten Effekt in einer sehr organischen Art und Weise. Auch wenn der dreistimmige Gesang stellenweise etwas zu wackeln schien, versöhnte er sich am Ende mit einem fast getupften, rein intoniertem Vokalpattern wieder. Und besser als das Original war die Intonation bei weitem.
Im zweiten Set kam endlich der Titelsong »Weightless« aus Beccas aktuellem Album zu Gehör, das bereits durch den pointierten Text und eine überaus fantasievolle Ausgestaltung des Arrangements von Weightless gepuscht, in die Top-5 der Singer-Songwriter Charts avanciert ist. Aber auch der gecoverte Usher und die Travelersongs bildeten einen brilliant gesungenen Abschluß des Abends. Zwei Zugaben hat es gebraucht, um das Publikum mit dem bevorstehenden Abschied in die eisige Dresdner Winterluft zu versöhnen. Erstaunlich viele CD-Käufer hielt es aber noch lange in der Tonne, die sich von Becca Stevens unbedingt die CD signieren lassen wollten. Und obwohl der Tourneeplan für jeden Abend eng gestrickt ist, hat sich Becca Stevens noch zehn Minuten Zeit für ein Fan-Gespräch genommen…
Danke für das tolle Konzert! Wenn du eine CD signierst, liest man drei Namen. Was bedeutet dein Mittelname Thomas?
Das ist der Geburtsname meiner Großmutter, er ist nicht als Vorname gedacht, sondern eher als Erinnerung an sie.
Erzählst du uns ein wenig von deiner Familie in North-Carolina?
Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen, in der auch alle anderen Künste geschätzt wurden. Als Kind hab ich zum Beispiel neben dem Singen und Gitarrespielen auch im Schauspiel erste Schritte machen dürfen. Meine Familie hat einen irischen Ursprung. Ich bin in den Appalachen aufgewachsen.
Welchen Einfluß hat die Appalachian Musik, die Folkmusik dieser Region auf dich?
Sie prägte meine Kindheit. Mit ihr bin ich regelrecht großgeworden. Ich trage diese Folk Tunes in mir, und ihr Sound bereichert und beeinflußt mich auch heute noch.
Die internationale Presse ist ganz begeistert von deinen vokalen Performances mit dem Travis Sullivan´s Bjorkestra aus New York, mit denen du die Musik von Björk mit Bigband aufführst. Wann tretet ihr mal wieder auf?
So bald wird das nicht sein. Ich hab schon lange Zeit keine Auftritte mehr mit denen gehabt, Travis Sullivan arbeitet ja auch mit anderen Sängerinnen. Mein Terminkalender ist in letzter Zeit einfach etwas zu voll geworden.
Wann wußtest du, dass du die Musik zu deinem Beruf machen willst?
Als ich in Highschool war. Ich hab da klassische Gitarre studiert. Da wurde mir klar, dass es die Musik ist, die mich definiert und antreibt.
Seit wann hast du deine Band, so wie wir sie heute abend erleben durften?
Ungefähr seit 2006. Wir haben uns alle in New York getroffen, weil wir das gleiche College besucht haben.
Wie oft probt ihr eigentlich?
Eher selten. Wir alle sind irgendwie so beschäftigt, da ergibt sich das mal so und mal so. Also, wenn ich einen neuen Song mitbringe, dann spielen wir mehrmals die Woche miteinander, und zwar gleich für viele Stunden am Stück. Das ist dann sehr intensiv. Aber sonst wirklich nur so oft, wie es notwendig ist. Mehr ist ja nicht immer gleich besser.
Du spielst so viele verschiedene Instrumente. Wie kam es dazu?
Weil ich sie mag. Ich hab mit klassischer Gitarre angefangen. Und zwar hab ich mit der gespielt, die mein Vati mir in meiner Kindheit gegeben hat. Na und Ukulele und Charango ist ja als Zupfinstrument ziemlich ähnlich. Diese eine Quinte hat mich da nicht abgehalten. Hab irgendwann entdeckt, daß es die obersten Töne der Gitarre sind, und mich sehr schnell auch auf diesen Instrumenten eingespielt. Es macht mir einfach sehr viel Spaß.
Wie kommst du als Songwriterin eigentlich auf neue Ideen? Worüber schreibst du am liebsten?
Das ist ganz einfach. Ich hole mir Inspiration aus Erfahrungen, die ich selber gemacht habe. Ich schreibe über die Sachen, die mich bewegen. Ich halte einfach die Augen offen, und warte ab. Manchmal schreibe ich auch Songs für Freunde.
Du bist ja grad auf Tournee hier in Europa. Wo gehts danach noch hin?
Morgen fahren wir nach Prag, danach kommt noch Belgien, Paris, London, Manchester, Schweiz, Schweden. Hui ich bin grad richtig erschöpft, die Tournee war schon irgendwie total cool, aber jetzt grad bin ich einfach nur fertig.
Dann machen wirs kurz. Die letzte Frage: Was war dein Lieblingsmoment in Europa?
Dieser!
Das heutige Konzert von Becca Stevens wird aufgezeichnet und morgen Abend 20.03 Uhr im Format "in concert" im Deutschlandfunk gesendet.