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Eine geschenkte Passion

Foto: Hartmut Schütz

Im vergangenen Jahr schrieb ich, wie der nunmehr scheidende Rektor der Hochschule für Kirchenmusik Dresden, Christfried Brödel, Bachs Johannespassion eigenwillig und doch schlüssig interpretierte. Das Dresdner Barockorchester war von diesem Abend zu Recht so sehr beeindruckt, dass es dem Dirigenten anbot, in diesem Jahr die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach mit allen Ausführenden als ein gemeinsames Geschenk zu präsentieren. Der Ertrag des Konzerts kommt nach Abzug der unvermeidlichen Kosten einem Kinderheim für Aidswaise in Shongweni/Südafrika zugute.
 
Christfried Brödel hielt sich an Bachs Partitur stellte in der Lukaskirche zwei Chöre, bestehend aus professionellen und semiprofessioneller Sängerinnen und Sängern in kleiner Besetzung, zum Teil nur mit drei oder vier Personen pro Stimmgruppe, gegeneinander auf. Bis auf Eric Stoklaßa als Evangelist, der sensibel und klar artikulierend die Passionsgeschichte vermittelte, und Matthias Weichert, der die Christus-Partie mit Würde, ohne vordergründigen weihevollen Einschlag sang, wirkten alle Solisten in den Chören mit und traten für Solopartien und Arien hervor. Dadurch erklangen die dramatischen und bitter ironischen Turbae-Chöre mit der dynamischen Stärke einer Groß-Besetzung. Den Cantus firmus des Eingangs- und Schlusschores im ersten Teil des Werkes übernahmen die Dresdner Kapellknaben. Diese großen Chorsätze wie auch der Schlußchor wirkten wie mächtige Portale, durch die der einzelne Hörer in die Passionsgeschichte eintritt.

Die Solisten Gertrud Günther, Marie-Luise Werneburg, Barbara-Christina Steude, Britta Schwarz, Susanne Langner sowie Benjamin Glaubitz, Ingolf Seidel, Cornelius Uhle, Georg Finger, Stefan Kunath und Michael Käppler folgten in den Arien dem zum Teil kräftig angezogenen Tempo, das Brödel vorlegte. Er hat sehr genau die Affekte des Leidens, der Trauer, des Schmerzes, des Dramatischen, aber auch der Hoffnung und Zuversicht der Partitur entnommen und diesen eine musikalische Gestaltung verliehen, von der man annahm, als müsste es so sein, so natürlich wirkte das Ausschwingen der musikalischen Linien. Das galt auch für die Choräle, die zwar als eigene musikalische Schicht Ruhepunkte zwischen den dramatischen Vorgängen bildeten, ohne dass ihre Tempi darum verzögert wurden.

Die beiden Instrumental-Chöre des Dresdner Barockorchesters waren ideale Partner dieses musikalischen Zugangs. Wie selbstverständlich atmete das Orchester, ließ kurze Phrasen auf- und abklingen, ohne dass der musikalische Fluss darunter litt. So erhielt man den Eindruck von Bachs Musik als einem lebendigen pulsierenden Organismus. Die beiden Konzertmeisterinnen Margret Baumgartl und Ulrike Tietze legten in den solistischen Auftritten der Arien „Erbarme dich“ und „Gebt mir meinen Jesum wieder“ eine Virtuosität vor, die vom ganzen Orchester übernommen wurde. Dem Schlusschor der Grablegung Christi, auch in überraschend heftigem Tempo dargeboten, das jedoch die formale Architektur des Satzes erkennen ließ, folgte eine lange Stille – dem Werk und seiner überzeugenden Interpretation angemessen.

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