Zu den großen „Cs“. Zunächst, mal abgesehen von den Fans, die das natürlich wissen, erstaunlich: auch Maria Callas hat Wagner gesungen! Drei Partien, am Beginn ihrer Karriere. Sie war gerade 24 Jahre alt, als sie 1947 unter der Leitung von Tullio Serafin im Teatro La Fenice in Venedig die Partie der Isolde sang. Es gibt eine Aufnahme mit dem Schlussgesang, den berühmten Liebestod, „Mild und leise, wie er lächelt…“. Dieser Ausschnitt ist inzwischen auf etlichen Porträt-CDs der Sängerin zu hören.
Die Callas ist nicht als Wagnersängerin berühmt geworden – der Kosmos dieser Jahrhundertstimme erschloss sich doch im italienischen Fach. Wahrscheinlich vermittelt sich die Faszination dieser Künstlerin am stärksten in den vielen Facetten die sie in unterschiedlichen Aufnahmen und Mitschnitten der Norma in Bellinis gleichnamiger Oper gab. Exemplarisch die Aufnahme von 1957, ebenfalls unter Serafin. Aber etwas von diesem Gänsehauteffekt, den die Sängerin hier, etwa in „Casta Diva“ hervorruft, vermittelt sich auch in ihrer Art, einen Liebestod zu zelebrieren. 1949 sang die Callas im gleichen Ort, unter dem gleichen Dirigenten, die Bünnhilde in „Die Walküre“. Ich kenne da kein Tondokument, die „Hojotohos“ der Callas hätte ich aber gern mal gehört. Und noch einmal Wagner mit der Callas, als Kundry in „Parsifal“, eine konzertante Aufführung der RAI in Rom 1950 unter der Leitung von Vittorio Gui, als CD auf dem Markt. Immerhin mit Sängern wie Rolando Panerai als Amfortas oder Boris Christoff als Gurnemanz.
Unser nächstes "C" war inden Glanzzeiten ihrer Karriere so etwas wie die Stimme Frankreichs: Régine Crespin. Als Siglinde in der „Walküre“ hat sie sogar den Grünen Hügel erobert. Hört man heute die Aufnahmen der Crespin, so fasziniert ihre Zurückhaltung: sie lässt selbst in den großen Partien von Wagner, die sie auch in Salzburg gesungen hat, der Musik, dem Klang den Vorrang; der „Volldampf“ aufgeputschter Interpretationen ist ihre Sache nicht. In der Parsifalaufnahme von 1960 unter Hans Knappertsbusch singt sie die Kundry, da scheiden sich die Geister. Groß ist die Zustimmung bei ihrer Einspielung als Siglinde in „Die Walküre“ unter Solti aus dem Jahre 1966, eine ausgesprochen lyrische Interpretation der Partie, nahezu perfekt ist die Beherrschung der Sprache. Ein Jahr später holte sie Karajan als Brünnhilde für seine „Walküre“ nach Salzburg. Das dürfte für die Sängerin nicht die glücklichste Entscheidung gewesen sein; mangelt es ihr doch an der dramatischen Kraft, von hochdramatischen Qualitäten soll gar nicht die Rede sein. In die Reihe bedeutender Wagnersängerinnen des letzten Jahrhunderts gehört Régine Crespin auf jeden Fall.
Natürlich haben weder die Callas noch die Crespin in Dresden gesungen – und ob Celestina Casapietra in einer Wagnerpartie in Dresden auf der Bühne stand, konnte ich nicht verlässlich klären. Im Buch „Wagner in der DDR“ von Werner P. Seifert taucht ihr Name auf als eine von mehreren Sängerinnen in der Partie der Elisabeth. Es handelt sich um die Neueinstudierung von Harry Kupfers Inszenierung von 1978 im Großen Haus. Damals war Lisbeth Balslew die Elisabeth, bei der Wiederaufnahme in der Semperoper 1987 war es Anna Alexieva, es folgten in dieser Partie Helga Thiede, Jeanette Lewandowski und eben, laut Seifert, Celestina Casapietra. Im Archiv der Sächsischen Staatsoper aber ließ sich kein Programmzettel finden, der dies belegt.
Die Casapietra – ich habe sie mehrmals in Berlin an der Staatsoper erleben dürfen – war eine beeindruckende Sängerin als Elsa in „Lohengrin“ und als Elisabeth in „Tannhäuser“. Angefangen hatte sie wohl im Wagnerfach, das sie klugerweise eben nur soweit sang, als es ihren stimmlichen Möglichkeiten entsprach, als Woglinde in „Das Rheingold“ in der Berliner Ring-Inszenierung von Erich Witte, aus dem Jahre 1957. Als junge Sängerin war die Italienerin zu einer Probe gekommen und blieb; 1966 heiratete sie den Dirigenten Herbert Kegel. Da sie einen italienischen Pass hatte, konnte sie natürlich weltweit singen. Dem Ensemble der Berliner Staatsoper blieb sie seit 1965 fast dreißig Jahre treu. Gastspiele führten sie an die Scala, an die Wiener Staatsoper, ans Bolschoitheater, zu den Salzburger Festspielen oder an die Hamburgische Staatsoper. Auf etlichen CDs kann man sich vergegenwärtigen, welch eine Ensemblesängerin der Berliner Staatsoper eben nicht nur zu besonderen Anlässen, sondern regelmäßig im Repertoire zur Verfügung stand. Beim Label Gala gibt es einen Mitschnitt von Wagners Tannhäuser mit Celestina Casapietra als Elisabeth.
Und noch eine Ausnahmekünstlerin, die auch Wagnerpartien gesungen hat, als Floßhilde im „Rheingold“ und in der „Götterdämmerung“, Roßweiße in „Die Walküre“ oder eines der Blumenmädchen im Parsifal, zwischen 1960 und 1967 sogar mehrfach in Bayreuth, die tschechische Mezzosopranistin Sona Cervena. 1958 kam sie an die Berliner Staatsoper und zu Walther Felsenstein an die Komische Oper. Nach dem Mauerbau 1961 kam sie nicht mehr zurück, dafür kam sie um die Welt. 1960 noch hatte Herbert Kegel mit ihr in der Titelpartie Bizets „Carmen“ in Leipzig aufgenommen, wie damals üblich in deutscher Sprache. Ich habe die Opernsängerin Sona Cervena nicht erlebt. Glaubt man den Berichten, ist sie eine grandiose Darstellerin gewesen. Als die Sängerkarriere zu Ende ging, wurde sie Schauspielerin und ging ans Hamburger Thalia-Theater. Kein geringerer als Robert Wilson wurde ihr großer Förderer. In „Black Rider“ kreierte er extra für sie ein skurriles Vogelwesen; und so habe ich die Cervena dann doch noch „singen“ gehört, mit schauerlichen, krächzenden Tönen! Inzwischen ist sie 88 Jahre alt und steht wieder in einer Hauptrolle auf der Bühne. Im historischen Prager Ständetheater spielt sie in Karel Capeks Komödie „Die Sache Makropulos“ die über 300jährige Sängerin Emilia Marty. Unter der Regie Robert Wilsons ist sie der Star: die Prager sind begeistert, ich auch. So, jetzt bin ich aber etwas weg gekommen von Wagner, daher Schluss für heute, bis Montag, dann mit „D“, wie Dora Zschille, zum Beispiel, und zurück nach Dresden.