„Wenn ich nichts anderes mehr singen kann, dann werde ich mit mit Wagner anfangen“, soll Eileen Farrell, die am 23. März 2002 starb, einmal gesagt haben. Eine der großartigsten Stimmen des letzten Jahrhunderts, weniger präsent auf den Opernbühnen als im Rundfunk und auf Konzertpodien.
Zu unserem Glück hat sie Wagner gesungen – und uns Tondokumente hinterlassen, bei deren Anhören mir immer wieder leichte Schauer der Verwunderung über den Rücken laufen. „Was der Niagara unter den Wasserfällen, das ist Eileen Farrell unter den Sopranen“, so ein Kritiker. Hört man ihre Aufnahmen, ist man erstaunt, welches Volumen, welche Weichheit, welcher Glanz in der Höhe darin stecken. Etwa wenn man die Schlussszene aus „Siegfried“ mit Set Svanholm von 1949 hört: da geht die Sonne auf!
Weichheit und Höhenglanz bescheinigte ihr Jens Malte Fischer; und Jürgen Kesting schrieb von der „Rettung Wagners durch die Klanglichkeit des Belcanto“. Seine Einschätzung bezog sich auf die Einspielung der „Wesendonck-Lieder“ unter Leonard Bernstein mit den New Yorker Philharmonikern. Eileen Farrells Eltern waren Vaudeville-Künstler. Vielleicht hatte sie daher keinerlei Probleme, immer wieder gerne Schlager und Musical zu singen und sich auch einen Namen als Jazzinterpretin zu machen.
Eine Rarität zum Staunen ist auch die Aufnahme der Wesendonck-Lieder, deren Melodik die der Tristanmusik schon anklingen lässt, mit der norwegischen Sopranistin Kirsten Flagstad von 1948, mit der originalen Klavierbegleitung. Die Aufnahme findet sich in einer Kassette mit 10 CDs »Great Singers sing Wagner«, erschienen bei Membran Music, deren älteste Aufnahmen von 1906 sind, die jüngsten vom Beginn der 50er Jahre. Man nimmt bei dieser Schatztruhe gerne in Kauf, dass die Angaben zu den Aufnahmen mehr als spärlich sind, dass es kein Booklet gibt; denn diese 10 CDs kosten nicht mal 10 Euro!
Kirsten Flagstad, die von 1895 bis 1962 lebte, von ihrem Heimatland mit einem Porträt auf dem norwegischen 100 Kronen-Schein geehrt wird, hatte als Operettensängerin in Oslo begonnen, so wie Bayreuths erste Brünnhilde, Amalie Materna. Flagstads Wagnerrollen, dabei natürlich die Brünnhilde, brachten die New Yorker Kritiker dazu, bald nach ihrem Debüt an der Met von „before and after Kirsten“ zu sprechen. Ihre Bayreuther Karriere begann 1934; ihr künstlerisches Zentrum blieb indes New York, bis sie sich 1941 nach Norwegen zurückzog. Den Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis gegen ihren Mann hat auch ihr zunächst geschadet, aber ab 1947 war sie wieder präsent, knüpfte an alte Erfolge an und hatte weltweit die Wagnerfans auf ihrer Seite. Als Oslo 1958 seine Nationaloper eröffnete, war sie die erste Direktorin.
Ein Beispiel ihres beispiellosen Wagnergesangs ist eine Aufnahme von »Tristan und Isolde« aus dem Jahre 1939 mit Lauritz Melchior als Tristan. Flagstad und Melchior müssen stimmlich das Traumpaar gewesen sein: an die fünfzig Mal starben die beiden an Met zwischen 1935 und 1941 ihren Liebestod.
Er sei wohl der „schwärzeste aller Bässe“, sagte Wilhelm Furtwängler über Gottlob Frick, den schwäbischen Sohn eines Försters, 1906 geboren, 1994 gestorben, 1941 als Sächsischer Kammersänger geehrt. Karl Böhm hatte ihn 1939 für Dresden entdeckt und engagiert; sein König Heinrich in „Lohengrin“ muss ein wahrhaft durchschlagender Erfolg gewesen sein. Bis 1950 gehörte er dem Dresdner Ensemble an, dann ging er an die Deutsche Oper in Berlin-West, blieb aber der Deutschen Staatsoper in Berlin-Ost treu verbunden und war in den fünfziger Jahren in allen großen Partien seines Bassfaches zu erleben. Es müssen, glaubt man den Zeitzeugnissen und hört man die Aufnahmen, grandiose Rollenporträts gewesen sein, wenn er als finsterer Fiesling den Hunding oder den Hagen gesungen hat.
Brünnhild Friedland hieß eigentlich Marianne Pietschik und wurde 1924 in Leipzig geboren. Sie starb 1986 in Dresden, wo sie 1947 an der Volksoper begann und von 1950 bis 1969 dem Ensemble der Staatsoper angehörte. Das blieb ihre wichtigste Opernbühne. 1951 und 1953 sang sie auch bei den Bayreuther Festspielen. 1969 verließ sie die DDR, kam ein Jahr später zurück; ihre Position in Dresden war besetzt! Und der Versuch, mit ihrer einstigen Glanzrolle, der Desdemona in Verdis „Otello“, in Leipzig die Karriere fortzusetzen, gelang nicht. Sie ging wieder in den Westen und kehrte nach Dresden zurück, um hier zu sterben. Ich habe sie in ihren zahlreichen Wagnerpartien, die sie in Dresden und Berlin sang, nicht erlebt, bin also auf Tondokumente angewiesen. Die zeugen von hoher lyrisch-dramatischer Qualität; leichte Schärfen sind immer wieder zu hören, aber bestimmend ist der Eindruck, dass es sich bei Brünnhild Friedland um eine eindrucksvolle Bühnenpersönlichkeit gehandelt haben muss. Sie sang auch Fachpartien von Richard Strauss; an ihre Marschallin im alten Berliner „Rosenkavalier“ habe ich gute Erinnerungen. Gerade ist bei Walhall eine Aufnahme mit ihr als Ariadne in der Oper von Strauss, mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig unter Herbert Kegel von 1954 erschienen. Zerbinetta ist Jutta Vulpius, Kurt Schüffler der Bacchus und Christa Maria Ziese der Komponist. In Günter Hänsslers großartiger Semperoper Edition von Wagneraufführungen der Nachkriegszeit ist die Sängerin mehrfach vertreten.
Ob es Aufnahmen der 1910 geborenen Sopranistin Vilma Fichtmüller gibt, konnte ich nicht herausfinden; für Hinweise bin ich dankbar. Ich habe sie nie erlebt, aber viel über sie gehört, über ihre Bedeutung als hochdramatische Sängerin der ersten Stunden, in Berlin an der Staatsoper, in Dresden, Leipzig und vor allem bei den Wagner-Festspielen in Dessau, dem Bayreuth des Nordens, wo sie 1953 die Brünnhilde in „Die Walküre“ sang, ein Jahr später in „Siegfried“ und 1954 in „Die Götterdämmerung“. Sie war in Dessau die Isolde, 1956 die Kundry in „Parsifal“, im gleichen Jahr die Ortrud in „Lohengrin“, einer Inszenierung, in der später auch Brünnhild Friedland die Elsa sang. In diesem Jahr war sie auch die Walküren-Brünnhilde an der Staatsoper in Berlin, unter Franz Konwitschny, alternierend mit Sängerinnen wie Helena Braun oder Liane Synek.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die Erinnerungen an Sängerinnen wie Renate Fude, ab 1962 die Irene im Leipziger „Rienzi“ unter Rolf Reuter, und Renate Frank-Reinecke, 1958 bis 1965 im Dresdner Ensemble, dann weiterhin gastweise, auch in Berlin, und vorwiegend als Konzertsängerin auch international unterwegs. Im Dresdner „Rheingold“ von 1957 unter der Leitung von Lovro von Matacic sang sie neben Gisela Schröter die Freia, die Waltraute 1959 in „Die Walküre“, jetzt Rudolf Neuhaus am Pult der Staatskapelle. In den Berliner „Meistersingern“ ist sie eine von den vielen Sängerinnen der Eva, nach der unglücklichen Premiere, am 8. Mai 1968, mit Wilma Lipp in dieser Partie.
Die Eva singt Renate Frank-Reinecke auch unter Christian Kluttig in der Karl-Marx-Städter Inszenierung von 1974. Sie bringt es sogar bis zur Brünnhilde, 1989 in „Die Walküre“ und 1990 „Siegfried“ in Magdeburg unter Roland Wambeck.
Und nicht zu vergessen unter „F“, Egil Frostmann, Tannhäuser 1965 in Leipzig, Inszenierung von Joachim Herz, Pult Paul Schmitz, bis 1974 wohl 50 Aufführungen, als intrigante Ortrud neben Sigrid Kehl auch immer wieder Eva Fleischer, auch mit „F“! Das solls für heute mit kleiner Verspätung gewesen sein. Nächstens, mit „G“ wie Goldberg, Gruber oder Grümmer, geht es weiter.