Für alles braucht es eine Regelung. Von der Geburt bis zum Dahinscheiden ist menschliche Leben an Formulare gebunden. Die Beamtenrepublik Deutschland ist durchaus beispielhaft, was das Abholzen von Wäldern einzig und allein zu diesem Zweck betrifft.
Dresden, die lustige Kunststadt, in der so ziemlich alles an kerndeutschen Hervorbringungen erfunden worden sein soll (das Löschblatt als Kaffeefilter, der Sprachfehler im Alltag; hat eigentlich schon mal wer nach den Ursprüngen des Toilettenpapiers geforscht?), Dresden macht jetzt den Vorreiter zur Reglementierung der Straßenmusik. Das haben andere deutsche Städte zwar schon seit Jahren streng bürokratisch geregelt, aber Dresden ist halt die erste sächsische Landeshauptstadt mit einem solchen Erlass [sic!]. Ab Mitte Mai sollen Straßenmusikerinnen und Straßenmusiker ausnahmslos eine Sondergenehmigung für ihr Treiben benötigen. Wird da womöglich ein neues Gremium geschaffen, dem die Petersburger Theaterplatz-Dissonanzen erst einmal vorspielen müssen, ehe ihnen gestattet wird, das Konzert- und Opernpublikum nach Vorstellungsende gehörig zu begegnen? Wer sollte den Test abnehmen und wer stellt die dafür erforderlichen Kriterien auf? Und wer kontrolliert die Einhaltung dieses Procederes? Hui, das wird spannend!
Das neue Reglement dürfte zumindest für etwas mehr Bewegung im Stadtleben taugen, schließlich soll bald vorgeschrieben sein, dass nach jedem öffentlichen Auftritt ein Ortswechsel vollzogen werden muss. Die Krönung der kommunalen Bevormundung ist allerdings das beabsichtigte Zeitlimit: Nur zu jeder vollen Stunde darf jeweils dreißig Minuten lang musiziert werden, danach ist eine halbstündige Pause einzulegen. Im Ergebnis wird Dresden („Kulturstadt“! „Musikstadt“!!) zu jedem Stundenbeginn in ein kakofonisches Meer getaucht werden, um eine halbe Stunde später akustisch auf Ebbe zu liegen. Hier ist noch Nachbesserungsbedarf gegeben. Grüne Zettel als Sondergenehmigung für die Zeit von um bis halb, blaue Zettel für die Zeit von halb bis um. Auf ungerade Stunden dürfen nur Blasinstrumente benutzt werden, nach geraden Stunden muss gesungen werden. Akkordeon nur dienstags und donnerstags, Streichinstrumente an Wochentagen, die mit dem Namenstag von kommunalen Honoratioren zusammenfallen.
Räte der Stadt, ruft eine Sondersitzung ein, um das zu klären! Bildet Ausschüsse und Kommissionen! Die Straßenmusikanten werden derweil eine Lichterdemonstration organisieren und anmelden. Von klingenden Gegenveranstaltungen ist dringend abzuraten.
Wenn das alles geregelt ist, wird als nächstes ein Bußgeldkatalog erarbeitet, der bei Zuwiderhandlungen das Stadtsäckel füllt. Nächstes Jahr stimmt man dann über die Benutzung von Klingeltönen im öffentlichen Raum ab. Es gibt viel zu tun!