Am Vorabend des Richard-Wagner-Geburtstags. Der Himmel über dem Theaterplatz färbte sich pflichtschuldig götter-feurig. Dresden feierte mit einem unerwarteten Conferencier: Olaf Schubert.
Der verteilte sein Wissen gerecht unter den Bedürftigen, erklärte "dem ganz normalen Übigauer", der "bei Wagner zuerst an den Mittelstürmer von Dynamo denkt": Also, Wagner, wo kam der her, wo geht der hin? Dabei fand er zwischen sich und Wagner, dem "Erfinder der Finanzkrise", dem "Schergen seiner Gene", dem "Vagina-Vasallen", überraschend viele Parallelen.
In der Stadt, "wo Wagner WAGNER wurde", ist damit der Höhepunkt der 2013er Feierlichkeiten erreicht. Monatelang wurde auf diesen Dienstag hingearbeitet, mit Jonas Kaufmann ein Weltstar gewonnen. Eindrucksvoll am Ende, dass nicht nur ein paar Staatsgäste im Sempernrund mit Champagnerflöten klickten, sonder der gesamte Theaterplatz mit Wagner-Fans, naja, Schubert-Fans gefüllt war. Immerhin: öffentlichkeitswirksamer ist Wagner sicherlich selten gedacht worden in den letzten einhundertdreißig Jahren. Korrigiere: in den letzten siebzig Jahren.
Es gehört denn zu unserem ambivalenten Verhalten dem Komponisten gegenüber, dass wir zwischen schroffer Ablehnung und rauschhafter Bewunderung hin- und herhinken und uns dabei scheuen, zurückzublicken, wie es wohl anderen zu anderen Zeiten mit ihm gegangen sein mag. Inwieweit etwa sein immer wieder zitierter Antisemitismus ein Zeitphänomen, gar ein Gesellschaftsphänomen gewesen sein könnte: Eleonore Büning erwähnt da heute in ihrem, mit trotzigem Unterton geschriebenen Text »Das unwiderstehliche Böse« relativierend, dass auch Robert Schumann Antisemit gewesen ist; sie wird sich dafür wahrscheinlich noch rechtfertigen müssen.
Zum Konzert selbst – das hier noch einmal nachgehört werden kann – nur so viel: es schien bei der Staatskapelle lange eine Art musikalisches Unschärfeprinzip zu geben: Der aufwendige Live-Mitschnitt eines Kapell-Konzertes schien zwangsläufig mit einer Minderung der musikantischen Freiheit verbunden; vielleicht dem Bemühen, bei einer Aufnahme hörbare Fehler zu vermeiden (was wiederum musikalische Ausdrucksmöglichkeiten beschnitt). Dieses Heisenbergsche Dilemma scheint das Orchester unter Christian Thielemann, der auch bei live-Mitschnitten stets die Extreme forciert, langsam zu besiegen. Zwar wirkte der Anfang des Konzerts noch etwas steif, etwas förmlich; aber irgendwann hatte sich die Kapelle warmgespielt und lieferte jubiläumsreifen Glanz, begleitete Kaufmann schwelgerisch und doch durchhörbar, geschmeidig und dann wieder kraftvoll auftrumpfend.
Eines jedoch war das Konzert in der Semperoper, was Olaf Schubert nie ist und was Wagner nie war: es war vom Inhalt her ziemlich erwartbar. Der Schachzug, den sächsischen Großmeister von einem sächsischen Komiker feiern zu lassen, sorgte für einiges Kopfschütteln, war aber am Ende der beste Einfall des Wagner-Jahres überhaupt. Schade, dass Olaf Schuberts philosophische Betrachtungen – "Hochkultur für niedriges Volk" – bisher nur in Ausschnitten nachhörbar sind.