Während die Sächsische Staatsoper 2013 in Sachen Verdi ihr eher schmales Repertoire an Italianità pflegt, hat die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste, dem Staatsschauspiel und den Musikfestspielen allen Freunden der italienischen Oper eine Premiere geschenkt. Mit dem Dreiakter „Falstaff“ wurde Verdis Alterswerk auf die Bühne des Kleinen Hauses gehievt, die 1893 uraufgeführte letzte Oper des Maestro aus Roncole. Inszeniert wurde sie von Regisseur Andreas Baumann, dem Leiter der Opernklasse an Dresdens Musikhochschule. Aus Zeitgründen wurde nicht die Premiere, sondern Mitte Juni eine mit drei (!) Dirigenten besetzte Vorstellung besucht.
HfM-Rektor Ekkehard Klemm, dem die musikalische Einstudierung sowie die Leitung der bisherigen Vorstellungsserie oblag, ließ in den ersten zwei Akten zwei seiner Studenten ans Pult. Die schlugen sich wacker und zeigten bis zur Pause schon mal eine Menge an klanglicher Schönheit, die recht wohltemperiert mit dynamischer Kraft – und ein paar unüberhörbaren Häkelfehlern, gewiss ob der Aufregung – gepaart war.
Klemm selbst übernahm den dritten Akt und zeigte mit dem Finale („Tutto nel mondo è burla“) sowohl, wo der sprichwörtliche Hammer hängt, als auch, dass Klappern durchaus zum Handwerk gehört. Insgesamt schlug sich das Hochschulsinfonieorchester aber mehr als wacker durch die anspruchsvolle Partitur des italienischen Meisters, bot Raffinesse und Spritzigkeit, temperierte ziemlich ausgewogen und verstand sich auf feines Klangmaterial.
Das Zuhören war ein Vergnügen, ebenso das Zuschauen. Denn hier wurde ein „Falstaff“ gegeben, der einerseits absolut frisch daherkam, schon aufgrund der Besetzung geradezu jugendlich, andererseits überhaupt nicht „gegen den Strich“ gebürstet wurde. Denn das ernsthafte Spiel um Ehre und Eifersucht wird so gründlich als Posse betrieben, dass selbst die in etwa gleichaltrige Besetzung kein Problem darstellt, auch wenn Figuren unterschiedlicher Generationen darzustellen sind. Das liegt gerade bei einer Studentenproduktion in der Natur der Sache und wurde beherzt gelöst.
Für den Titelpart freilich wurde mit Matthias Henneberg ein „gestandener“ Sänger geholt, der einen selbstgefälligen Falstaff gibt und seine enorme Präsenz in dieser Oper mit gut gewählter Balance einteilt. Als Objekte von Falstaffs Begierde ergänzen sich Alice und Meg (Bomi Lee und Eun Jung Lee) mit ihrer Botin Quickly (Christiane Johanna Gänßler), um dem Lustmolch von Draufgänger gehörig die Leviten zu lesen. Alle drei erledigen das mit reichlich Spielfreude, wenngleich unterschiedlich taktvoll und wortgetreu. In zweiter Front machen sich der gehörnte Ehemann Ford mit seinem Möchtegern-Schwiegersohn Dr. Cajus und dem eigentlichen Tochter-Liebhaber Fenton daran, die Intrige zu rächen. Bekanntlich wird sie in Shakespeare-Manier aber erst einmal verwickelter und kann erst nach wirklich aufgekochtem Höhepunkt ein glückliches Ende finden: „Alles in der Welt ist Posse.“
In diesem Triumvirat glänzen Gunyong Na verzweifelt als Ford und Jaesig Lee verliebt als Fenton, Sie Hun Park als getrogener Bräutigam gibt sich steif und hält sich auch vokal zu bedeckt. Die stets nach dem Wind tanzenden Gauner Bardolfo und Pistola werden von Stephan Lin und Daniel Müller als trügerisches Duo verkörpert und lassen auf ihre Ruppigkeit auch sonst nichts kommen. Am glücklichsten geht Tochter Nanetta aus dieser Geschichte hervor, denn sie kann herrlich flirten, verwegen scheinheilig sein und macht auch stimmlich gute Figur.
Warum die gut geführten Chorherren als American Football Gang ausstaffiert worden sind, bleibt Geheimnis der Ausstattung von Sabine Mädler und Martina Lebert, da überzeugten die Chordamen als grünliche Feen schon eher. Ansonsten überwog Zurückhaltung, was den Aufwand betrifft – im Zentrum dieser Produktion standen ganz die Musik und ihr jubiläumsreifer Komponist.
Eine bedeutsame Vernetzung der Dresdner Kunsthochschulen mit den Strukturen des etablierten Theaters sowie wichtige Erfahrungen vor gut unterhaltenem Publikum. Derlei Praxisorientierung ist gar nicht hoch genug zu bewerten.