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Rheingold-Resonanzen

Auch in Weimar führt dieses Jahr kein Weg an Wagner vorbei (alle Fotos: Maik Schuck)

Es war viel los letztes Wochenende in Sachen Kultur in Weimar. Man musste sich entscheiden. Mit einem fulminanten Fest, bis weit nach Mitternacht, wurde am Sonnabend die neue Spielzeit des Deutschen Nationaltheaters eröffnet, das Interesse war groß, wurde doch auch der neue Chef, Hasko Weber, begrüßt. In einer Matinee am Sonntag gab schon mal Ausschnitte aus den Eröffnungspremieren, „Faust“ und „Lohengrin“.

Das Kunstfest, „pélerinages“, letztmals von Nike Wagner, gewohnt sensibel und intelligent kuratiert, ist in vollem Gange, an Richard Wagner führt selbstverständlich auch Weimar in diesem Jahr kein Weg vorbei, daher das Motto: „Wagner Idyll“. Dieses Wochenende, auch dem Jubilar geschuldet, war insbesondere dem Tanz gewidmet. Im Neuen Museum wurde eine Ausstellung mit choreografischen Objekten von William Forsythe eröffnet, dem nach wie vor bedeutenden Erneuerer der Tanzkunst, immer stärker in Richtung Performance und Improvisation. Im Reitstall gab es die „Soundinstallation in Bewegung“ „RheingoldResonanzen“ von Louise Wagner, Tochter von Nike Wagner und Ur-Ur-Urenkelin von Richard Wagner.

In der Weimarhalle gastierte Wochenende die Salzburger Marionettenbühne mit ihrer sehr speziellen Fassung „Der Ring des Nibelungen“, aber nicht in 16, sondern in nur gut zwei Stunden gab es dieses Welttheater vom Fluch des Goldes zu Ausschnitten aus der Originalmusik in einer der noch immer unerreichten Aufnahmen unter Georg Soli, aus den 50er und 60er Jahren. Also Annäherungen an Richard Wagner in Weimar, wo ja eigentlich als Festspielhaus das Nibelungentheater errichtet werden sollte.

RheingoldResonanzen von Louise Wagner und choreografische Objekte von William Forsythe, da liegt die Frage nach einem Zusammenhang nahe. Und der ist offensichtlich. An Forsythe kommt der moderne Tanz nicht vorbei, und man sieht auch in der choreografischen Arbeit von Louise Wagner dass es Einflüsse gibt, auch wenn die junge Choreografin eigene Wege geht. Interessant aber ist in diesem Zusammenhang, dass diese Ausstellung mit ihren Objekten, mit der Gestaltung der Räume, den Zuschauer, den Besucher ganz automatisch dazu verführt, zu reagieren, sich zu bewegen, in eine Choreografie zu geraten, als Resonanz auf den Anreiz eines anderen, in diesem Falle des Künstlers William Forsythe.

Louise Wagners „RheingoldResonanzen“, wie diese „Soundinstallation in Bewegung“ folgt dem Wagnerschen „Rheingold“ selbstverständlich nicht so, dass hier die Geschichte erzählt wird, salopp gesagt, die Rheintöchter tanzen nicht. Keine Handlung im üblichen Sinne, die sieben Tänzerinnen und Tänzer sind keine Darsteller von Rollen. Es ist aber so, dass wie in den Motiven dieses „Rheingoldes“ etwas geschieht und sich fortsetzt, unaufhaltsam. Jede Reaktion eines Menschen hat ihre Resonanz, das geschieht im Tanz ganz körperlich, intensiv. Und jedes Motiv einer Bewegung, einer Reaktion, einer Resonanz wird aufgenommen, verändert, weiter gegeben.

Das Publikum kann gar nicht anders als auch zu regieren, mit seinen Resonanzen umzugehen, denn der Tanz geschieht ganz nahe, vor uns hinter uns, mitten unter uns. Dabei nimmt diese grandiose Konzentration der Tänzer den Zuschauer immer stärker gefangen, es entsteht so etwas wie ein Sog, und schon sind wir wieder bei Richard Wagner. In der Musik dieser bewegten Installation, bei der es zugespielte elektronische Sounds und Livemusik gibt, meint man dann auch, als individuell wahrnehmbare Resonanzen Wagners Motive zwar nicht direkt, aber in übertragenem, verfremdetem Sinne zu vernehmen, besser mitunter zu erfühlen.

Zunächst, nach einer dunklen Soundfläche, tiefe Töne. Fünf Instrumentalisten, Violine, Cello, Kontrabass, Posaune und Tuba. Und da zunächst die tiefen Töne der Tuba, dann dazu gedämpfte Töne Posaune, also dieses so faszinierende „Aufsteigen“ der Musik Wagners im „Rheingold“ könnte schon der Anlass für die Resonanzen der Musiker gewesen sein. Es ist ja eine Soundinstallation in Bewegung, also bewegen sich die Musiker. Einmal in den elektronischen Soundflächen mit ihren Reaktionen, zum anderen im Raum und immer wieder in sehr intensivem Bewegungs- und Klangdialog mit den Tänzerinnen und Tänzern.

Von ungewöhnlicher Intensität der Schluss. Der Tubaspieler nimmt auf dem Boden Platz. Er bläst die Luft tonlos durch sein Instrument. Eine Tänzerin reagiert feinsinnig und zerbrechlich auf diese fortwährende Veränderung dieser Resonanzen, die lediglich der Atem eines anderen Menschen hervorruft. Dann vernehmen wir Klänge, fast romantisch, erst nicht zu verorten, dann spürt man, sie kommen aus der Tiefe, die Musiker sind unter uns, unter dem Boden auf dem wir uns befinden. Etwas steigt auf, es beginnt etwas, eben – wie man empfinden kann – eine Rheingold-Resonanz, und das Ganze wird zu einer Abfolge von bewegten und klingenden Aspekte einer Resonanz auf Richard Wagners Idee vom Gesamtkunstwerk.

Am Ende dieses Wochenendes noch ein so ungewöhnlicher wie vergnüglicher Akzent im Kunstfestprogramm. 100 Jahre nach Richard Wagners Geburt beginnt die Geschichte der Salzburger Marionettenbühne, zunächst natürlich zur Musik Mozarts, dann wird das Programm musikalisch und thematisch erweitert, inzwischen tanzen die Salzburger Marionetten sogar Tschaikowskys Ballettklassiker „Der Nussknacker“. Für Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“, samt Vorspiel, benötigen die zerbrechlichen Figuren an den beinahe unsichtbaren Fäden nicht viel mehr als zwei Stunden. Man kann nur staunen, was die Marionettenspielerinnen und Spieler da leisten um uns im Schnelldurchlauf, immer wieder moderierend von einer Schauspielerin und einem Schauspieler vorangetrieben, diese Geschichte vom Fluch des Goldes zu erzählen. Ein kleines Welttheater ist das schon. Vielleicht hätte Wagner seine Freude gehabt, denn hier fliegen die Rheintöchter als zappelnde Barbygirs im Synchronschimmen durch die Luft als schwömmen sie im Rhein und die Walküren als schwarz uniformierte Tiller-Girls tanzen in der Riehe als Revuegirls Can-Can. Wagners Megawerk im kleinen aber feinen Format. Welttheater mit Augenzwinkern. Eine bemerkenswerte Wagner-Resonanz.

Die Aufführung der Salzburger Marionettenbühne ist beim Label BelAir als DVD erschienen.

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