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Vivaldi ruft an

Ein Gruß aus Paris an das Paris des Ostens 

5. September. Es geht früh los an diesem Donnerstag. Der Flieger ab Dresden um 6.10 Uhr, via Frankfurt, Ankunft in Bukarest, die Uhr eine Stunde vorgestellt, pünktlich um 13.20 Uhr. Hier ist Sommer. Abkühlung und Erfrischung im Hotel, keine Zeit verlieren, der erste Kaffee im Leipziger Viertel. Ja das heißt wirklich so wegen der Leipziger Straße, die einem alten Handelsweg folgt und von der aus man in das kleinteilige Gassengewirr eines Altstadtviertels gelangt, unzerstört, unverändert, angenagt vom Zahn der Zeit, morbider Charme, ein Café am anderen, Restaurants und Bars, am Abend, in der Nacht, an den Wochenenden besonders, geht hier die Post ab.

Dann ins erste Konzert meines dichten Programms, in den riesigen Saal des Kulturpalastes, gleich hinter dem Nationalmuseum im Zentrum der Stadt. Grüße aus Paris. Bukarest nannte man einst das Paris des Ostens. So ganz abgebrochen sind die kulturellen Beziehungen nie. In der Gemäldesammlung des Nationalmuseums könnte man sich in der Ausstellung rumänischer Malerei vom Ende des 19. und vom Beginn des 20. Jahrhunderts schon in Paris wähnen.

Fotos: Enesco Festival

Heute, wie gesagt, musikalische Grüße mit dem Orchestre de Paris. Dirigent ist Paavo Järvi, auf dem Programm Berlioz und Saint-Saens. Dazwischen, als Referenz an Benjamin Britten, der vor 100 Jahren geboren wurde, dessen Violinkonzert, Solistin ist Vilde Frang, eine musikalische Entdeckung. Brittens Melancholie kommt durch den dunklen Klang der Streicher des Pariser Orchesters und die gänzlich unsentimentale Spielweise der Solistin gut herüber. Zuvor gab es einen richtigen Aufreißer, die Ouvertüre zu „Le Corsaire“ von Hector Berlioz, Järvi lässt mit Temperament aufspielen, eindrücklich dann im letzten Teil des Konzertes die sogenannte „Orgelsinfonie“ von Camille Saint-Saens. Hymnisches Schwelgen, tosender Beifall, kein langes Zieren, Zugaben, noch mal ein Reißer, Bizet, l'Arlésienne Suite Nr. 1, erster Satz. Ab, ins Hotel! Ein Wein, drei Zigaretten, ab ins Bett, der Tag war lang, es werden längere folgen…

Vivaldi ruft an

Freitag: ein Tag der Gegensätze. Zunächst Musik der Gegenwart. Der deutsche Komponist und Klarinettist Jörg Widman dirigiert die Staatliche Philharmonie „Transilvania“ aus Cluj. Nachmittags im Athenaeum. Ein paar Worte zu diesem Ort. Eines der beliebtesten historischen Bauwerke im Zentrum von Bukarest. Hier stehen die Brautpaare an, ein Fototermin nach dem anderen auf der Eingangstreppe des Kuppelbaus mit klassizistischer Fassade. Im Innern dann ein imposantes Foyer mit vier weit geschwungenen Treppen, die in den runden Saal führen. Wer beim ersten Betreten an einen Zirkus denkt liegt nicht falsch. 1888 wurde dieses Gebäude als Vartieté-Theater eröffnet. In der ehemaligen Manege sitzt jetzt das Publikum unter der großen Kuppel, ringsum Logen, die Akustik ist gut, das Podium bestens geeignet für Barock- oder Kammermusik, auch ein mittelgroßes Orchester hat Raum vor dem historischen Orgelprospekt.

Doch zum Konzert am Nachmittag: Zunächst dirigiert Widmann ein Werk seines rumänischen Komponistenkollegen Ulpiu Vlad, „Lumina drumurilor“, etwa „Lichter der Straßen“, übersetzt mir eine Kollegin die aus Bukarest kommt. Ein einsamer Gang durch nächtliche Straßen, zunächst Stille, dann wird es schrill und grell und der Weg verliert sich wieder in der Stille. Vlads Komposition verführt dazu, die Augen zu schließen, und den Film laufen zu lassen. Viel Zustimmung beim Publikum.

Dann folgen zwei Werke von Widman. Mit großer Begeisterung wird sein Stück „ad absurdum“ für Trompete und Orchester aufgenommen mit dem derzeitigen Star dieses Instruments, Sergei Nakariakov. Er spielt Widmanns rasante Koloraturen regelrecht charmant und weiß gemeinsam mit dem dirigierenden Komponisten und dem bestens aufgelegten Orchester auch den jazzigen Humor dieses bezaubernden Stückes von barock anmutender Sinnenfreude mit dem Publikum zu feiern.

»Otello« in der Rumänischen Nationaloper (Regie: Vera Nemirova)

Dann muss ich aufbrechen. Das Opernhaus liegt etwas entfernt, nicht direkt im Zentrum, und ein Paar Schritte zu laufen schadet nicht, heißt es doch umschalten. Die Festivalpremiere der Rumänischen Nationaloper ist in diesem Jahr Giuseppe Verdi gewidmet. Keri-Lynn Wilson dirigiert „Otello“, inszeniert von Vera Nemirova, in der Ausstattung von Viorica Petrovici. Fast konventionell wird die Geschichte in Arrangements erzählt, die denen der im Foyer ausgestellten Fotos von Aufführungen der 60er Jahre mitunter gleichen. Nemirovas Aktualisierung besteht darin, dass zugleich mit Otellos sieghafter Ankunft in Zypern sich Flüchtlingsdrama abspielt und Jago mit harter Hand und militanter Gewalt gegen die gestrandeten Menschen vorgeht. Otello ist der Politiker mit Herz, stärker noch Desdemona, die wie einst Lady Diana voller Hingabe frisches Wasser und Hilfsmittel verteilt. So flattert das berühmte Taschentuch vom Himmel, das Eifersuchtsdrama nimmt seinen Lauf, Realpolitiker Jago hilft für jedermann offensichtlich nach, nur Otello nimmt nicht wahr, dass eine menschliche Schwäche ausgenutzt wird, ein politisches Ziel zu verfolgen. Otello ist kein fremder, schwarzer Mann, er ist der schwarze Peter in diesem Ränkespiel, bei dem Kalkül und weiße Westen das abgrundtiefe Schwarz der Seelen verbergen. Mit vorantreibender Dramatik gibt die Dirigentin dem Drama musikalische Spannung. Verdis Schmettern wird mit Lust musiziert, an zarten, verinnerlichten Szenen fehlt es nicht, und die wunderbare Julia Isaev als Desdemona führt Keri-Lynn Wilson behutsam, als gelte es eine zerbrechliche Seele zu schützen, bis die leisesten Töne ihres berührenden Abschieds.

Marius Vlad Dudoiu singt den Otello. Kein stimmlicher Kraftprotz, dafür ein musikalisch intensiver Gestalter und überzeugender Darsteller. Das Böse siegt in dieser Opernwelt und „der“ Böse trägt auch gesanglich den größten Sieg davon, Stefan Ignat als Jago. Wuchtige Passagen für den Chor, vor allem intensives Spiel des Orchesters, für alle, Dirigentin und Solisten besonders, großer Jubel am Premierenabend.

Auch Wagner kommt in seinem Jubiläumsjahr zu großen Ehern. Nach über 60 Jahren erstmals wieder in Bukarest „Der Ring des Nibelungen“ in einer konzertanten Aufführung mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Marek Janowski, dann bin ich aber längst wieder in Dresden.

Es wird wieder knapp. Nicht so einfach mit den Taxis in Bukarest. Die grüne Lampe leuchtet, sie halten auch wenn man winkt, geben aber zu verstehen, dass man nur mitfahren kann, wenn man zuvor irgendwie angerufen hat. Aber ich bin nicht allein, zwei Kollegen aus Italien haben das selbe Problem, ganz rasch wieder ins Athenaeum, hier beginnt das Festival im Festival, immer an den Wochenenden, ab 22.30 Uhr, die äußerst beliebten Nachtkonzerte. Wir finden einen Taxiplatz, wir kommen an, etwas zu spät, eingelassen zu werden ist kein Problem, alles besetzt, also erst mal einen gute Stehplatz suchen. Nicht so einfach, die Stufen sind besetzt, die Gänge sind eng und günstige Positionen längst besetzt.

An diesem Wochenende ein Barock-Festival, der Reigen wird eröffnet mit einem Konzert des Orchesters Europa Galante mit Fabio Biondi, Solist und Leitung. Eine Sternstunde um Mitternacht. So viel Vivaldi, sechs Konzerte, eine Ouvertüre, eine Sinfonie. Und immer wieder neu, jener Zauber aus filigraner Zartheit, überraschenden Facetten der Klangfarben, und vor allem dieses große Maß an herzlicher Freundlichkeit dieser Musiker mit ihrem Primus inter pares. Über das Klingeln eines Handys in der Stille nach dem Einstimmen kann der Maestro verschmitzt lächeln und über die Entschuldigung des Angerufen, es sei Vivaldi gewesen, erst recht.

Es ist ein Uhr in der Frühe, also noch ein Spaziergang, im Leipziger Viertel ist das Licht längst nicht erloschen, ein Platz vor einem Café findet sich auch, Wein, was sonst, Zigaretten, erste Notizen. Wunderbar, ein Festivaltag, der diesen Namen verdient. Es gibt noch Steigerungen!

Der rumänische Komponist, Solist, Dirigent und Lehrer

Der Samstag beginnt musikalisch auf ganz andere Art. Kleiner Spaziergang auf einer belebten Geschäftsstraße. Dann höre ich Chorgesang. Eine Kirche, erst meine ich hier werde ein orthodoxer Gottesdienst gefeiert, aber ein katholisches Hochamt wird zelebriert. In der Apsis der übervoll besetzten Kirche mehr als 20 assistierende Priester, eine große Schar Ministrantinnen und Ministranten, der Ritus ist vertraut, kein Problem einzustimmen in die liturgischen Gesänge, rumänisch ist mir nicht vertraut, also summe ich andachtsvoll und bin begeistert von romantischen Chorklängen und bemerkenswert guten Solisten.

Das Tammuz-Quartett im Athenaeum (Daniel Gaede, Volker Jacobsen, Gustav Rivinius, Oliver Trindl)

Am Nachmittag Kammermusik der Spitzenklasse. Im Athenaeum spielt das Tammuz Klavierquartett Werke von Robert Fuchs, ein mir bis dahin unbekannter Komponist aus Österreich, der von 1847 bis 1927 lebte. Klangvolle Spätromantik. Solche auch im 2. Klavierquartett von Gabriele Fauré. Im Mittelpunkt das zweite Klavierquartett von George Enescu, melancholische Abschiedsmelodik, der Rückblick auf die Romantik und die tastenden musikalischen Erkundungen neuer Klänge am Beginn des letzten Jahrhunderts. Wieder die Frage, warum kennen wir so wenig von Enescu, vielleicht gerade mal die beiden folkloristisch geprägten Rumänischen Rhapsodien und die seine einzige, 1936 in Bukarest uraufgeführte, Oper „Oedipe“, die selbstverständlich im Festivalprogramm der Nationaloper aufgeführt wird. 

Enescu hatte die Oper 1921 eröffnet, er dirigierte Wagners „Lohengrin“. Im Athenaeum hat er oft dirigiert, hier wurde er gefeiert als Violinvirtuose. Unweit des Konzertsaales wohnte er in einem Jugendstilpalais auf der Calea Victoriei, als Museum heute zu besuchen.

Enescu, 1881 in Liveni Virnav geboren, der Ort ist heute nach ihm benannt, starb 1955 in Paris. Er hatte 1946 aus Protest gegen die kommunistische Regierung seine Heimat verlassen, er kehrte nie zurück, was seiner Beliebtheit und Bedeutung keinen Schaden zufügte. Er ist der rumänische Komponist, Solist, Dirigent und Lehrer, bis heute. Das Festival zu seinen Ehren fand erstmals 1956, anlässlich seines 75. Geburtstages, statt. Darauf nicht immer regelmäßig, jetzt aller zwei Jahre, vornehmlich als größtes Musikfest Rumäniens und eines eines der bedeutendsten Osteuropas, als Treffen bedeutender Orchester, Dirigenten und Solisten, Ioan Holender, ehemaliger Intendant der Wiener Staatsoper und selbst rumänischer Herkunft ist der Chef des Festivals und seine Verbindungen in alle Teile der musikalischen Welt kommen dem Festival zugute. In Rumänien sind so gut wie alle Werke Enescus auf CD zu erhalten, dabei auch historische Aufnahmen mit ihn als Dirigenten und Solisten, in einigen Fällen mit Dinu Lipatti am Klavier. Das Tammuz Quartett hat beide Klavierquintette für cpo eingespielt.

Mächtig, Gewaltig

Chor und Sinfonieorchester George Enescu, Dirigent: Leo Hussain, Solist: Nikolai Schukoff (Tenor als ‚Waldemar‘)

Am Abend wird es mächtig gewaltig. Im großen Saal des Kulturpalastes Brachialmusik in Arnold Schönbergs Kantate „Gurre-Lieder“ nach einer Novelle von Jens Peter Jacobson. Schönberg nimmt Abschied vom spätromantischen Nachklang der durch Wagner bestimmten Epoche. Als wollte er den Meister übertönen, spart er nicht an Klangmassen und Überwältigungseffekten. Von musikhistorischem Wert ist die Aufführung im Wagnerjahr auf jeden Fall – und wenn man als Tove eine Sängerin der Isolde wie Violeta Urmana, und als Waldtaube eine Sängerin der Brangäne wie Janiana Baechle zur Verfügung hat, vor allem einen Tenor wie Nikolai Schukoff für die Partie des Waldemar, dann mag sich auch eine gewisse Begeisterung einstellen. Der Rumänischen Philharmonie „George Enescu“ liegt der monumentale, spätromantische Sound; und Leo Hussain vollbringt am Pult eine Meisterleistung.

Fortsetzung im nächsten Nachtkonzert, zum Glück etwas Zeit, kleiner Spaziergang, denn es heißt umschalten, sich einlassen auf ganz andere Töne, auf den Nachlang der Stille. „La Venexiana“ unter der Leitung von Claudio Cavina führt zu den Ursprüngen der Oper, zu erleben ist eine traumhafte, konzertante Aufführung von Claudio Monteverdis „L´Orfeo“, man glaubt ja gar nicht, wie modern alte Musik sein kann, wenn sie dermaßen erfrischend und dramatisch, vor allem lustvoll, aufgeführt wird. Salvo Vitale ist der Orfeo, Eurydike ist Roberta Mameli, die Kostbarkeit des Abends aber ist ihr Gesang als La Musica zu Beginn der Oper.

Es ist nach ein Uhr; na, ein Glas Wein geht noch, vor dem Hotel, nicht ohne Stimmung dieser Platz, denn man betritt den supermodernen Bau mit seinen Glasfassaden durch das erhaltene historische Portal des alten Nationaltheaters. Solche architektonischen Zusammenfügungen historischer Substanz mit moderner Architektur findet man öfter im Stadtbild, mitunter fügen sich die Gegensätze, mitunter aber auch nicht.

Griechenlands Beitrag zur Rettung der Europäischen Barockmusik

Der Sonntag beginnt höchstkonzentriert im kleinen Saal des Kulturpalastes, eigentlich in einem anderen Gebäude, streng in der Ausstattung, die in die frühen 60er Jahre weist, hervorragend die Akustik. Musik des 21. Jahrhunderts aus Deutschland und Rumänien. Die Konzentration des frühen Tages zahlt sich aus. Starke Eindrücke beim Konzert des Minguet Quartetts, der Sopranistin Sarah Maria Sun und Jörg Widman, nicht als Komponist, als Solist, in einem Werk Wolfgang Rihms für Klarinette und Streichquartett von 2003. Für Sopran und Quartett hat Peter Ruzicka auf einen Text von Hölderlin das Werk „Erinnerung und Vergessen“ 2008 geschrieben. Das jüngste Werk, „Innenräume, Verwebungen“ von 2012, ist von Gabriel Iranyi aus Bukarest. Bei aller Unterschiedlichkeit fasziniert die Weite der Emotionen bei der immer wieder so überraschender wie verblüffender Ausweitung klanglicher Möglichkeiten im kammermusikalischen Rahmen.

Heute verordne ich mir einen Mittagsschlaf. Das ist gut so. Am Abend nämlich, bei enormem Publikumsandrang, das Konzert des Rumänischen Jugendorchesters unter der Leitung von Lawrence Forster mit den Solisten Pinchas Zukerman und Amanda Forsythe im Doppelkonzert für Violine und Violoncello von Johannes Brahms. Das Orchester hat Fans in allen Altersklassen. Es ist ein professionelles Orchester junger Musikerinnen und Musiker, demzufolge ist es nicht falsch von unbeschwertem, jugendlichen Sound zu sprechen. Foster hat schon zuvor mit diesem Orchester gearbeitet. Man spürt, sie mögen sich und dem US Amerikanischen, 71jährigen Dirigenten, der viele Werke Enescus für EMI eingespielt hat, einige Jahre auch Leiter des Enescu-Wettbewerbs war, bereitet es sichtlich und hörbar Freude, mit diesem energiegeladenen Ensemble die stürmisch dahinpreschende Fantasie für Orchester des 1967 geborenen, rumänischen Komponisten Dan Dediu zu präsentieren.

Großer Jubel aller Altersklassen, sie sind in Jeans gekommen, in kurzen Hosen, aufgeputzt und mitunter auch etwas schrill die Jungen, bei den Älteren, Herren im Frack oder Damen mit Hütchen. Beim Doppelkonzert von Brahms treffen die Brillanz der Erfahrung und die Lust am Musizieren aufeinander, nicht immer ganz ohne Reibungen, manchmal aber sprühen die Funken. Nach der Pause dann eigentlich alle Reißer von Ravel, Finale, wie zu erwarten „Bolero“, eine aufsteigende Klangexplosion. Mehrere Zugaben, im Tempo des Wahnsinns die Ouvertüre zu „Donna Diana“ von Emil Nikolaus von Reznicek, als wollte er sagen, das spielen die doch spielend ohne mich ,dreht sich der Dirigent zum Publikum, klappt doch.

Der Abschied vom Enescu Festival könnte grandioser nicht sein. Noch einmal leuchten die Sterne am musikalischen Himmel in einem fulminanten Fest eines Mitternachtskonzertes bis in die ersten Stunden des neuen Tages. Armonia Atena unter der Leitung von George Petrou präsentiert den griechischen den Beitrag zur europäischen Barockmusik.

Auf dem Programm Georg Friedrich Händels Oper „Alessandro“, jenes Duell mit den fein geschliffenen Waffen der Gesangskunst zweier Primadonnen um den sagenhaften Feldherrn. Waren es zur Uraufführung 1726 die Primadonnen Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni und der Altkastrat Senesio, so sind es hier im Bukarester Athenaeum Julia Lezhneva als Rossana, Laura Aikin als Lisaura und Max Emanuel Cencic in der Titelpartie. Unglaublich, wenn die 23jährige Lezhneva kurz vor halb zwei in der Nacht mit einem Lächeln ihre perlenden Koloraturen singt, wenn Cencic zum Finale ansetzt und in seiner Arie „Prove sono di grandezza“ das Wort nicht nur benutzt sondern eben auch in seiner so charaktervollen wie immer wieder humorvollen Art mit Grandezza singt!

Im Athenaeum: Armonia Atenea mit Georg Friedrich Händels »Alessandro«

Händels „Alessandro“, einst sein berühmtestes Werk, dann verschwunden im Repertoire, 1959 in Dresden ein erster Versuch der Rehabilitierung, jetzt ist es wieder da, in barocker Pracht. Bei Decca ist eine Aufnahme dieser Produktion erschienen, nicht ganz in der Bukarester Festivalbesetzung, aber mit Lezhneva, Cencic und auch wie hier, Xavier Sabata als Tassile und eben den rasanten Musikern aus Athen.

Es ist zwei Uhr in der Nacht. Im Foyer des Athenaeums eine Ansammlung junger Konzertbesucher, dann kommen alle Sängerinnen und Sänger, geduldig schreiben sie ihre Namen in die Programme, auf die CDs in die Poesiealben. Für mich auch noch ein kurzes Hallo: Laura Aikin hat ja in Dresden oft die Partie der Sophie im „Rosenkavalier“ gesungen, sie war die Cleopatra in Jens-Daniel Herzogs witziger Inszenierung von Händels „Giulio Cesare in Egitto“ und Cencic ihr intriganter Bruder, der junge Bassist Pavel Kudinov machte schon 2001 in Dresden beim Gesangswettbewerb der italienischen Oper „Competizione dell´opera“ auf sich aufmerksam. Also, das war dann doch die Nachtschicht im Festival, die diesen Namen verdient.

Foto: Hanna Gruhl

Tschüss hier, goodbye dort, mach´s gut…auf Wiedersehen in zwei Jahren? Und dann doch noch ein Glas, die Musiker aus Griechenland sitzen schon unter den historischen Bögen des Hoteleinganges, der Rote Rumänische ist gut, na das wusste ich schon, lange, sehr lange.

Abschied

So grandios verschlafen habe ich wohl noch nie in meinem Leben, um 9.00 Uhr klingelte der Wecker, um 11.30 Uhr, merke ich dass ich gar nichts gehört habe. Hunger. Aber nix ist mehr da, alles abgeräumt. Ich muss wohl entsetzlich verknittert aussehen, ein Kellner stellt mit einen großen Milchkaffee hin, einen Aschenbecher und drei große Croissants. Noch eine kleine Runde, schon mal erste Notizen, dann ab zum Flughafen, schnell noch eine Jacke aus den Koffer nehmen: in Bukarest nehme ich Abschied bei über 30 Grad, in Dresden komme ich an in der Nacht bei etwas über zehn Grad an. Die Spielzeit, sie kann beginnen.