Serge Dorny ist Belgier und kommt aus Lyon. Dort hatte der 1962 geborene Flame seit gut zehn Jahren die Opéra National geleitet. Zuvor war er als Generaldirektor und künstlerischer Leiter des London Philharmonic Orchestra so erfolgreich, dass andere internationale Häuser und Institutionen diverse Begehrlichkeiten anmeldeten. Doch der durch die harte Schule von Gérard Mortier gegangene Dorny – mit nur 21 Jahren gehörte er am Théâtre Royal de la Monnaie dessen Dramaturgieteam an, vier Jahre später leitete er bereits das Festival van Vlaanderen – ließ sich bislang nicht abwerben. Das gelang erst der sächsischen Kunstministerin Sabine von Schorlemer, die Dornys Pressevorstellung auch selbst moderierte.
Es wurde zwar auch im Nachhinein nicht verraten, wer der internationalen Findungskommission angehörte, die unter Vorsitz von Jürgen Huppert, dem Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung zur Förderung der Semperoper, aus ursprünglich rund dreißig Kandidaten letztlich drei in die engere Wahl gezogen hatte. Selbstredend darf weiter darüber spekuliert werden, wer die beiden Mitbewerber waren, die Serge Dorny letztlich ausgestochen hat. Von Schorlemer räumte aber ein, es sei nicht einfach gewesen, Dorny aus Lyon wegzulocken.
Der aber freut sich auf Dresden, wo er ein neues Kapitel seiner Arbeit aufschlagen will. Wichtig sei ihm ein Konzept, das auch zum Ort passe, also nicht künstlich aufgesetzt werde. Auf dieser Basis wolle er eine solide Handschrift entwickeln, um sowohl die Geschichte als auch die Möglichkeiten der Institution Semperoper zum Tragen zu bringen. An Dresden, so sagte Dorny, reizt ihn die Möglichkeit, eine neue Kultur kennenzulernen, um eine Synthese mit seinen vorherigen Erfahrungen aus der Orchesterleitung in London und der Opernleitung in Lyon einzugehen. „Das ist jetzt genau der richtige Moment dafür“, so Serge Dorny in charmantem Deutsch.
Ganz offensichtlich hat er sich schon gründlich mit seinem künftigen Haus beschäftigen können, denn in einer kurzen Analyse sparte er auch nicht mit vorsichtiger Kritik. Die drei vorhandenen Sparten Oper, Ballett und Staatskapelle sollten in Zukunft viel enger vernetzt werden, um in einer gemeinsamen Handschrift nach außen zu wirken. Wesentliche Synergien würden bisher noch verschenkt, indem beispielsweise namhafte Konzertdirigenten kaum im Orchestergraben tätig seien, weil sie nicht danach gefragt worden sind. „Die Semperoper war mal eine anerkannte Theaterreferenz, das ist sie heute nicht“, wertete deren designierter Chef, dem Dresdens Traditionslast natürlich bekannt sei, die aber nicht in einer „Nostalgie der Vergangenheit“ verklärt werden dürfe, sondern in einer „Nostalgie der Zukunft“ gipfeln müsse. Als sein Ziel formulierte Dorny, neue Traditionen zu schaffen. „Ich bin kein Revolutionär, ich will eine Osmose aus Vorhandenem und Neuem.“
Die aktuelle Spielzeit und auch seine Antrittssaison ab Herbst 2014 seien bereits weitgehend geplant, nicht zuletzt durch die Teamarbeit von Verwaltungsdirektor Wolfgang Rothe, der übergangsweise die Geschicke des Hauses leitete und sich erleichtert zeigte, nun wieder seine eigentlichen Aufgaben übernehmen zu dürfen. Eine Produktion solle jedoch schon 2014/15 deutlich von Serge Dorny geprägt sein und dürfte Hinweis darauf sein, wohin er mit dem Haus steuern werde. Sicher seien schon jetzt weltweite Koproduktionen etwa mit der Sydney Opera sowie mit der Met in New York, denn: „Nicht nur die Staatskapelle soll international sein!“ Dieses Orchester sieht der neue Intendant aber als etwas ganz besonderes an: „Dessen Nachhaltigkeit in Qualitätsfragen ist einmalig.“ Für Dirigenten sei es ein Privileg, mit diesem Klangkörper zu arbeiten. Daraus solle sich die Pflicht ableiten, auch im Opernbetrieb tätig zu sein.
Chefdirigent Christian Thielemann, der aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Pressekonferenz teilnehmen konnte, ließ in einer kurze Botschaft verlauten, er sei „absolut davon überzeugt“, dass Dorny „genau der richtige Mann für Dresden ist.“
"Die Semperoper war mal eine anerkannte Theaterreferenz"
Der Belgier aus Frankreich werde in Dresden ein von Lyon ganz unterschiedliches Musiktheater etablieren, versprach er und sah sowohl im Repertoirebetrieb als auch im Stagionesystem erhebliche Vor- und Nachteile. „Es gibt nicht nur schwarz-weiß, die Wahrheit ist grau.“ Diese Farbtheorie dürfte wohl auch für künftige Publikumsstrukturen gelten, denn Sergy Dorny zufolge solle die Oper vor allem der Stadt gehören und nicht den Touristen. In Lyon gelang ihm eine Auslastung des grandiosen Hauses auf 96 Prozent, wobei das jugendliche Publikum einen hohen Stellenwert einnahm. 25 Prozent der Besucher waren jünger als 26 Jahre, und die Hälfte des Publikums zählte weniger als 45 Jahre. Oper als Spiegel der Stadt – eine schöne Vision für Dresden.