Es gibt vieles, was man Richard Wagner nachsagen kann – zu kurz geraten mit seinen Einssechsundsechzig, unbescheiden (wohl deshalb) und messianisch überheblich, als Revoluzzer nur Mitläufer, als Fürstenbittsteller aber stets vorgeprescht. Manche seiner Schriften sind von der Art, dass man heute noch am liebsten darüber schweigt, denn eines, immerhin, muss man ihm lassen – er war genial, der Dichter-Komponist.
Dass nun aber auch noch der Nachruhm des Meisters just im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag um ein beträchtliches Maß wächst, hätte weder Richard persönlich noch die Gemeinde der Wagnerianer für möglich gehalten. Dem Wagner-Verband seiner Geburtsstadt ist es gelungen, die Welt mit einer Entdeckung zu beglücken! In keiner der flüssig und überflüssig erschienenen Schriften, weder in den musikwissenschaftlichen Abhandlungen, noch in den biografischen Ausdeutungen, schon gar nicht in den vielen Prachtbänden ist es einem Experten geglückt, wirklich Neues zutage zu fördern. Ein einziges Blick ins sächsisch-touristische Kuriositätenkabinett aber genügt, um die Forschung auf den Kopf zu stellen.
Denn bislang galt als erwiesen, dass Wagner sein Frühwerk „Die Feen“ nie selbst auf einer Bühne erlebte. Sie soll erst fünf Jahre nach seinem Tod in München uraufgeführt worden sein.
Sächsischen Brauchtümlern im erzgebirgischen Seiffen zufolge hat Richard Wagner seinen Erstling „Die Feen“ aber sogar selbst dirigiert! Das Beweisfoto vom Grafikstudio Schmidt aus Olbernhau hat Leipzigs Wagner-Verband soeben veröffentlicht. Logische Folge: Die Musikgeschichte muss neugeschrieben werden. Womöglich wird die Fachwelt bei gründlichem Prüfen kunstgewerblicher Hervorbringungen noch mehr Kostbarkeiten entdecken.
Bis nächsten Freitag ganz herzlich –
Michael Ernst