Sie sind Hausgötter in Dresden. Richard Wagner und Richard Strauss, beide sehr eng mit der heutigen Staatskapelle und der Semperoper verbunden, da hätte es gar nicht bedurft, dass der eine sich mit dem legendären Wort von der Wunderharfe beim Orchester dauerhaft einschmeichelte.
Richard Wagner, von 1843 an zum Königlich-Sächsischen Hofkapellmeister auf Lebenszeit ernannt, floh die Stadt Dresden zwar bereits 1849 und kehrte nie in eine derartige Anstellung zurück, doch er brachte hier immerhin drei Opern heraus („Rienzi“, „Holländer“, „Tannhäuser“). Und er konzipierte gewaltige Teile seines späteren OEuvres ebenfalls in und um Dresden. Das Jahr seines 200. Geburtstags ist nun vorbei, doch seine Musik (und insbesondere das Musiktheater) wird uns auch künftig begleiten.
Richard Strauss, dessen 150. Geburtstag nun am 11. Juni ansteht (am 8. September auch der 65. Todestag), ist Dresdens Musik zu Lebzeiten beinahe noch enger verbunden gewesen. Immerhin wurden hier neun seiner insgesamt 15 Opern uraufgeführt! Die Nähe zu Wagner ist geradezu sprichwörtlich. Mit seiner ersten Oper „Guntram“ versuchte sich der junge Strauss in der Nachfolge des „Ring“-Komponisten. Dessen Witwe Cosima hätte den aus München stammenden Musiker (und Nutznießer der mütterlichen Erbschaft einer Brauerei-Dynastie) am liebsten mit Tochter Eva verheiratet. Dabei war der Vater von Richard Strauss, Erster Hornist am Hoftheater München, noch ein bekennender Wagner-Verächter.
Richard Strauss erwies sich freilich rasch als eigenständig genug, um weder in seinen Tondichtungen der Tradition eines Franz Liszt allzu hörig zu folgen, noch im Opernschaffen nicht schleunigst eigene Wege zu finden. Als Dank für die Pflege seiner Bühnenwerke an der Elbe widmete er ausgerechnet die „Alpensinfonie“ der Kapelle (uraufgeführt wurde sie 1915 dennoch in Berlin, mit dem Komponisten am Pult der Dresdner Hofkapelle).
Richard Wagner und Richard Strauss, obgleich vor materiell sehr unterschiedlichem Hintergründen aufgewachsen, ähnelten einander wohl auch in ihrer machtpolitischen Instinktlosigkeit. Oder sollte man besser sagen, in ihren machtpolitischen Instinkten? So, wie sich der einstige Revoluzzer Wagner später einem zumindest materiell vermögenden Märchenkönig andienerte (um ihn pekuniär auszunutzen, versteht sich), so lavierte Strauss während der Nazi-Diktatur als Präsident der Reichsmusikkammer (von 1933 bis 1935).
Von Richard zu Richard
Dass im musikalischen Jubiläumsreigen nun ein Richard-Jahr auf das nächste folgt, ist ein Zufall, mehr nicht. Ein kostbarer Zufall, gewiss. Nachdem 2013 schon viel außer Acht gelassen worden ist (selbst die Verdi-Würdigung zu dessen 200. fiel in deutschen Landen reichlich knapp aus, von Britten, Lutoslawski und Penderecki zu schweigen), dürften auch 2014 große Könner wie Giacomo Meyerbeer (150. Todestag am 2. Mai) oder Reformer wie Christoph Willibald Gluck (300. Geburtstag am 2. Juli) und Jean-Philippe Rameau (250. Todestag am 12. September) eher ins Schattendasein geraten.
Christian Thielemann hat seine Kür von 2013 auf „Richard den Ersten“ inzwischen abgewandelt zu Richard, dem Einzigen, dem nun Richard, der Besondere folge. Auch dem wird er sich in besonderer Weise künstlerisch widmen, schließlich sind beide Richards nicht nur Hausgötter der Kapelle, sondern auch Lieblingshelden des Berliners in Dresden.
Schon in Kürze steht unter dessen musikalischer Leitung eine neue „Elektra“ ins Haus – wahrhaft eine Starbesetzung mit Evelyn Herlitzius, Waltraud Meyer, Anne Schwanewilms und René Pape (Premiere am 19. Januar). Folgen werden ein konzertanter „Guntram“ (23. und 28. Februar unter Omar Meir Welber), Wiederaufnahmen von „Ariadne auf Naxos“ (ab 9. März) und „Salome“ (ab 21. März) sowie Open Air „Feuersnot“ (7., 9. und 10. Juni). Das Ballett der Semperoper tanzt „Legenden – Hommage an Richard Strauss“ (Premiere am 28. Juni), diverse Konzerte, Aufführungsabende und sogar das sommerliche „Klassik picknickt“ (am 12. Juli) widmen sich dem Jubilar. Zu den Salzburger Osterfestspielen gastiert die Kapelle mit Thielemann mit einer neuen „Arabella“ an der Salzach (12. und 21. April), um auch in diesem Jahr einen Dresdner „Hausgott“ zu exportieren.
Die Dresdner Philharmonie wiederum widmet sich Maestro Strauss, der bereits lange vor seinen Erfolgen als Opernkomponist im Herbst 1889 am Pult des damals als Gewerbehausorchester firmierenden Klangkörpers in Dresden reüssierte (u.a. mit Kompositionen von Wagner und aus eigener Hand), mit sechs eigens zum Jubiläumsjahr konzipierten Programmen. Darin wird es von der „Rosenkavalier-Suite“ (am 1. und 2. Februar) über Strauss' Violinkonzert (am 8. März mit Isabelle van Keulen), „Till Eulenspiegel“ (15. und 16. März, am 16. auch im Alten Schlachthof mit „Otto dem Ohrwurm“ für Kinder) und „Don Juan“ (5., 6., 7. April) bis hin zu den „Vier letzten Liedern“ von 1948 (am 20. und 21. April mit der Sopranistin Gun-Brit Barkmin unter der musikalischen Leitung von Michael Sanderling) gehen. Einen krönenden Abschluss setzt Sanderlings Vorgänger Rafael Frübeck de Burgos mit einem puren Strauss-Konzert („Capriccio“-Sextett, Oboen-Konzert und „Ein Heldenleben“) am 7. und 8. Juni im Albertinum.
Es gibt also viel Grund zur Freude.