Das Motto und die Begründungen für die Ordensvergabe des Semperopernballs flachen zusehends ab. Die Berichterstattung hingegen scheint sich in zwei Lager zu teilen: die begeisterten, die finden, dass sich die Stadt mit diesem Kulturereignis brüsten kann. Und diejenigen, nun ja, die einen kritischeren Blick auf den Ball haben. Während die Dresdner Fernsehsender und auch der MDR zu ersteren gehören, jede neue Pressemeldung als Freudenfest feiern und sich Einschaltquoten jenseits von Wutfried und Domröse erhoffen, klingen die Texte des inoffiziellen Blogs der Sächsischen Zeitung weitaus ironischer. Hier sind Schmankerl der anderen Art aus der Ballhistorie zu genießen, beispielsweise die haarsträubende Übersetzung der Rede von La Toya Jackson im Jahr 2010 oder eine Unterschriftenaktion, die dafür sorgen soll, dass der St.Georgs-Orden endlich einmal an wirklich hochkarätige Gäste geht. Wer unterschreibt, befürwortet die Nominierung von Sachsens Dschungelkönigin Melanie Müller. Die, bevor sie vom Fernsehen entdeckt wurde, auch nur eine ganz normale Sächsin war. Wie die vielen vielen zu erwartenden Gäste des legendären Semperopenairballs, deren stundenlanges Frieren und Biertrinken sich nun endlich bezahlt macht.
Für das beste Publikum der Welt hält der diesjährige Ball nämlich einen kleinen, neckisch blinkenden Plaste-Anstecker bereit. Auf diese Weise bekommt das Dresdner Publikum den Orden des gegen-den-Strom-schwimmenden St.Georg verliehen und darf auch ein wenig glitzern. Jedenfalls solange die Batterien durchhalten. Ein kleines Dankeschön dafür, dass die Dresdner sich seit Jahren mit einem Volksfest draußen bespaßen lassen und denen, die das Geld und die Beziehungen für eine Eintrittskarte hatten, beim Feiern zusehen. Da kommt Freude auf, bestimmt auch wieder durch die laut schallende Halbplayback-Schlagermusik, die das Außenpublikum zum Mitsingen motivieren soll, während auf dem roten Teppich die hohe und durchaus auch die niedere Prominenz das Blitzlichtgewitter genießt.
Die richtig große Party geht bestimmt dann los, wenn, wie angekündigt, der Vorjahrespreisträger in einem Obelix-Kostüm aus Alufolie am Kran hängend auf den Theaterplatz niedergelassen wird und die Glitzerei nach innen in die Oper spiegelt; dorthin, wo die teureren Orden verliehen werden. Dafür etwa, dass man seit 40 Jahren im Showgeschäft die jeweils aktuelle Mode weitestgehend ignoriert und sein flottes Mundwerk quasseln lässt, wie der diesjährige Preisträger, ein Gummibären-Freund. Diese Tierliebe ist durchaus den Orden in der Kategorie Kultur wert, doch doch.
Hoffentlich erstrahlen die blonden Mähnen der Preisträger trotz der hastigen Distanzierung der Ball-Organisatoren von ihrem "exklusiven Kooperationspartner Beauty und Lifestyle". Wie BILD berichtet, dürfen die Dresdner Star-Friseure Brockmann und Knoedler nämlich "nach Sektenvorwürfen Königin Silvia nicht mehr an die Haare". Gar nicht nett! Entsteht doch laut der Progredi AG, mit der die Haarabschneider sich gutgläubig einließen, ein kreativer Austausch von Meinungen und Ansichten nur durch den Austausch mit anderen Menschenrassen. Trotzig behauptet die Frisösen-Webseite nach dieser gründlich vermasselten Gehirn-, nein: Kopfwäsche: "Coming back soon." Wenn das mal kein esoterisches Wiedergeburts-Versprechen ist! Herr Sektenbeauftragter, übernehmen Sie.
Und was kommt nach den Gummibären? Schade, dass Vitali Klitschko, der Milchschnitten-Profi, sich selbst durch ernsthaftes politisches Engagement leider lupenrein aus dem Rennen gekickt hat. Immerhin, in der Kategorie "posthum" könnte die Jury doch auf Beate Uhse setzen. Sie gilt nach der Dresdnerin Christine Hardt, die 1899 den BH patentieren ließ, als eine Wegbereiterin zu einer offeneren und freieren Gesellschaft. Боже мой, das könnte dem Preisträger 2009, Wladimir Putin, nicht schmecken? Dann beziehen wir uns doch auf die Leistung eines seiner Vorgänger auf kulturellem Gebiet! Nach Josef Wissarianowitsch Stalin ist immerhin ein unüberhörbares Musikinstrument benannt.