Blinkende Lichtpunkte überall im Opernhaus, draußen eine Menschenmasse, übersät mit grell bunten, schnell aufflackernden Farbtupfern und auf dem roten Teppich reflektiert das Blitzlicht vielfach auf allerhand Pailletten und Strasssteinen der Abendkleider. Das Motto des neunten Semperopernballs lautete: Dresden glitzert.
Disko in der Oper. Das war das „gesellschaftliche Großereignis“ dieses Jahres, fanden die Moderatoren. Das groß angekündigte „völlig neue Lichtkonzept“ entpuppte sich als Konglomerat von vielfarbigen LED-Schläuchen an den Rändern der Opernränge, überdimensionalen Diskokugeln, draußen ampelähnlichen gleißend weiß blendenden Lichtern und das gesamte Opernhaus wurde von kleinen, nervös huschenden weißen Kreuzen angestrahlt, die eine glänzende Oberfläche simulieren sollten. So dekoriert feierten die Reichen und Schönen wieder ihre überteuerte Party. Natürlich zogen sie über den roten Teppich in die Semperoper ein und verteilten Autogramme an das jubelnde Außenpublikum, das – wie könnte es anders sein – wieder von Gotthilf Fischer mit „über siebzig Volksliedern im Gepäck“ bei Laune gehalten wurde.
Wieder verlieh man den St.-Georgs-Orden, eigentlich den Orden dessen, der gegen den Strom schwimmt, manchmal aber auch einfach der Orden für den Kampf gegen das Böse. Er konnte nicht nur die Königin von Schweden oder EU-Kommisionspräsident José Manuel Barroso nach Dresden ziehen, die eine wurde für ihr karikatives, der andere für sein politisches Engagement ausgezeichnet. Die dazugehörigen Laudationen und Dankesreden vielen ob ihrer Ernsthaftigkeit auf, gerade neben den peinlich platten Moderationstexten von Gunther Emmerlich und Collien Ulmen-Fernandez. Sie witzelten, wieviel wer zu spenden hätte, und wischten so die Nachdenklichkeit, die beim Thema UNICEF-Arbeit aufkam, schnell wieder beiseite. Ist ja aber auch eigentlich gar kein schönes Thema für so einen freudigen Anlass.
Gut, dass es gleich weiter ging mit dem Tanz der Debütanten. Das Kleid der Damen, getreu dem Motto, glitzerte dieses Jahr im wunderbaren Farbton Phaeton-Grau.
Ausgezeichnet mit kleinen bunt flackernden Plastik-Ansteckern als Ordensersatz wurde auch das Dresdner Publikum, das „beste und treuste Publikum der Welt“. Dafür, dass es, wie es nicht nur die Oberbürgermeisterin zynisch formulierte „durchgehalten und ausgehalten“ hat. Diejenigen, die zu tausenden auf den Theaterplatz pilgern um gemeinschaftlich zu frieren und Glühwein und Bier zu genießen, bekamen gestern gnädigerweise auch endlich mal den Orden ab, weil sie denen, die drinnen pompös feiern, so schön brav und schon so schön lange dabei zugucken.
Adverso Flumine, wo bleibt die Kategorie „Zynische Ironie“? Da wäre doch direkt die erste Selbstauszeichnung des Semperopernballvereins fällig. Vielleicht nächstes Jahr, zum Jubiläum.
Zwischen den Preisverleihungen gab es wieder kleine musikalische Häppchen, damit man auch die Verbindung von Klassik und Entertainment, die laut der Moderatorin diesen Ball so besonders macht, erkennen kann. Nach Ende des Programms war es allerdings recht schnell vorbei mit der Klassik, da kam Udo Jürgens, noch einer, der für den Kampf gegen das Böse ausgezeichnet wurde, und heizte der jubelnden Masse ein. Dann gings erst richtig los mit der Disko für Best-Ager im Opernhaus, bis in die frühen Morgenstunden wurde in der Fledermausbar oder in der Club Havanna Lounge glitzernd gefeiert. Um das zu übertreffen, wird man wohl im nächsten Jahr noch mehr Magier zur Zerstreuung der Innengäste und Prominenten als Lockvögel fürs Außenpublikum anwerben müssen. Voller Vorfreude sind auch wir, wie ein Gast es treffend formuliert: “Ich freue mich auf die ganzen internationalen Gäste und auch auf die Dresdner, die draußen stehen.“