Als »Musik in Dresden« am 21. Februar berichtete, dass Serge Dorny nun doch nicht als Intendant an die Semperoper kommen wird, mochten viele Medien die Nachricht nicht glauben. Sabine von Schorlemer (parteilos) sollte den Opernchef noch vor seinem Amtsantritt entlassen haben? Auf Nachfrage im Sächsischen Kunstministerium erfuhren sie, dass die Staatsministerin zwar absent sei, sich aber von einem Sekretär vertreten lasse, und der bestätigte tatsächlich die außerordentliche Kündigung des noch in Lyon agierenden Opernmannes aus Belgien. »Musik in Dresden« hatte die inzwischen weltweit für Schlagzeilen sorgende Neuigkeit als erstes Online-Portal vermeldet. Für diese exklusive Unterrichtung wurde seinerzeit ein Leck in der Presseabteilung des Freistaats verantwortlich gemacht.
Heute nun muss einmal mehr die Informationspolitik des Ministeriums angemahnt werden, denn von einer entscheidenden Wende in den Zukunftsfragen der Sächsischen Staatsoper erfuhr vorab lediglich die Musikredaktion von MDR Fidelio, wo man sich auf ein Gespräch mit der Ministerin berief. Darin wurde betont, dass die scheidende Kulturpolitikerin ihrer Nachfolge „geordnete Verhältnisse“ hinterlassen wolle. Die mit der Kündigung verursachten „Scherben sowohl in Dresden als auch in Lyon“ sollten schnellstens gekittet werden, denn auch kulturpolitisch stünden „beide Opernhäuser in einem negativen Licht“, seit Schorlemer Dornys Kündigungsangebot ultimativ zuvorgekommen war.
Die Kehrtwende sei nun mit einem „deutsch-französischen Brückenschlag“ gelungen, der europaweit „Modellcharakter“ besitze. Schon ab der kommenden Spielzeit, den eigentlichen Amtsantritt von Serge Dorny, sollen die Oper Lyon und die Semperoper Dresden miteinander fusionieren, um „den politischen Schaden mit den Mitteln der Kunst“ zu beseitigen. Über Details dieser bisher einmaligen Verschmelzung zweier Musiktheater werde noch in diesem Monat auf einer Pressekonferenz berichtet. Fest stehe aber schon jetzt, dass Dorny als Generalintendant dieser Opernfusion nicht in Frage käme. Vielmehr sei eine bilinguale Doppelspitze im Gespräch.
Inzwischen melden sowohl die Dresdner Zeitung als auch Sachsens Neueste Nachrichten, dass mit der zunächst überraschend klingenden Nachricht erstmals ein Projekt gelungen sei, das künftig auch für weitere Städte in Frage kommen sollte. Denn neben dem Aspekt des europäischen Zusammenwachsens auf kulturellem Gebiet sind durch das sogenannte Schorlemer-Beispiel auch immense Kosten zu sparen. Sobald in Dresden etwa französisches Repertoire geplant sei, könne auf das Lyoner Ensemble zurückgegriffen werden. Umgekehrt stünden die Künstlerinnen und Künstler aus Sachsen bereit, auch in der Zwei-Flüsse-Stadt auszuhelfen, wenn es dort um hiesige Hausgötter wie Wagner und Strauss gehe. Dieser Effekt dürfe nicht unterschätzt werden, hieß es dazu aus dem Finanzministerium; schon bald werde sich für den Vorgang analog des "Riesterns" und des "Hartzens" der Begriff des "Schorlemerns" durchsetzen, wenn nötig, durch Ultimaten.
Geht man der Meldung hingegen auf den Grund, so ist die Fusion wohl vor allem immobilientechnischen Ursprungs. An die Stelle des nun schon fast dreißigjährigen, bereits verschlissenen dritten Semper-Baus soll nämlich tatsächlich, wie von Dorny vorgesehen, möglichst kurzfristig der Lyoner Entwurf von Jean Nouvel realisiert werden. Dorny hatte in mehreren E-Mails an die Ministerin darauf bestanden, dass sein Lyoner Büro in Dresden eins zu eins wiedererrichtet werde, inklusive der bekannten Wege zur Kaffeeküche und in die Erfrischungsräume, und während seines Vorvertrages bereits vertragliche Fakten geschaffen. Nach seinem unrühmlichen Abgang bemüht sich das Ministerium nun, den Umbau ins Positive umzudeuten: So werde auch visuell deutlich, "dass Dresden und Lyon von nun an gemeinsame Opernpolitik betreiben".