Am Wochenende wirds schwierig für Konzertgänger. Die zeitliche Planung sollten Sie rechtzeitig vornehmen; ein Vélo hilft so gerade, bei einigen Höhepunkten pünktlich zu erscheinen, doch auch ein Würfel wäre zur logistischen Vorbereitung sinnvoll: an Überschneidungen mangelt es nicht, und die physische Unteilbarkeit des Kulturgenießers wird trotz aller digitalen und technischen Errungenschaften in den nächsten Tagen zum Problem.
Legen wir los: der Donnerstag und der Freitag dienen der Einstimmung und dort sind aber schon allein drei Veranstaltungen mit dem Prädikat "für neugierige Ohren" zu verzeichnen. Im Thalia Dresden auf der Görlitzer Straße spielen am Donnerstag um 20.30 "a forest" – ein experimentelles Bandprojekt. – Am Freitag steht die erste "rouge ou noir"-Entscheidung auf dem Programm: Matthias Rebstock inszeniert mit der Bürgerbühne im Kleinen Haus eine besondere Sichtweise auf des Dresdners liebste Oper: Expedition Freischütz nennt sich dieser Ausflug in Jägergefilde und Wolfsschlüchte, während etwas später im Beatpol "Garda" aufspielt, und zwar ebenfalls mit experimenteller Note: im Dreivierteltakt! Mit Streicherbegleitung will man testen, ob Indie und Walzer nicht doch eine schon lange vermisst geglaubte Verbindung eingehen.
Das Wochenende gerät klassischer, aber nicht weniger arm an Weltpremieren! Zwar spielt die Dresdner Philharmonie im Albertinum "nur" Alban Bergs Violinkonzert. Die Entscheidung für Carolin Widmann als Solistin dürfte aber das bekannte Werk in die Nähe einer Uraufführung rücken, denn von ihr weiß man, dass sie jedes Konzert ohne Netz und doppelten Boden spielt – das verspricht eine neue Hörerfahrung mit dem eindrucksvollen Werk zu werden. Vorher spielt sich nur 200 Meter entfernt in der Kreuzkirche Staunenswertes ab: Ekkehard Klemm dirigiert um 17 Uhr in der Vesper den Kammerchor der Singakademie und steuert selbst eine Uraufführung bei – unter dem Titel "Jerusalem" wird man sich auf eine Begegnung des Chores mit Jazz und Improvisation freuen dürfen.
Doch halt, zuerst spricht der Würfel: Am Sonnabend findet nämlich außerdem um 19.30 das erste von vier Jubiläumskonzerten der Sinfonietta Dresden statt. In der Dreikönigskirche dirigiert Milko Kersten dabei unter anderem eine Uraufführung von Silke Fraikin, dazu gibt es Mozart, Beethoven und eine Sinfonia Concertante von Tiberiu Olah. Wer es passionsgerechter und klassischer mag (erneut würfeln), besucht um 20 Uhr die Johannespassion von Homilius in der Frauenkirche.
Am Sonntag bleibt nicht viel Zeit fürs Frühstück: um 11 Uhr lädt das KlangNetz Dresden zu einem weiteren Konzert der "Einstürzenden Mauern" in die Hochschule für Musik ein – Chorsinfonik von Lachenmann, Voigtländer und Mozart werden zur Aufführung gelangen. Der Würfel kommt dann wieder am Nachmittag zum Einsatz. Drei Konzerte buhlen jeweils um 17 Uhr um die Gunst der Zuhörer: in der Kreuzkirche gastiert unter dem merkwürdigen Titel "Wien leuchtet" das Mannheimer Stamitz-Orchester – Solist ist Friedrich Thiele am Cello, erklingen wird neben dem Cellokonzert D-Dur von Joseph Haydn Anton Bruckners große 7. Sinfonie E-Dur. Die Kirchenmusikhochschule präsentiert zeitgleich in der Annenkirche ihr Kantatenprojekt, darin eine Uraufführung des ehemaligen Chordirektors der Philharmonie, Matthias Geißler sowie eine von Tamás Beischer-Matyó. Und schließlich spielen im Heinrich-Schütz-Konservatorium junge Instrumentalisten neue Musik, die exklusiv für "Jugend Musiziert" entstanden ist – das Konzert des Sächsischen Musikbundes vereint Werke von Rainer Lischka, Siegfried Thiele, Rolf Thomas Lorenz und weiteren.
Wenn Sie am Sonntagabend (nachdem Sie eventuell erneut im Albertinum waren – die Philharmonie spielt ihr Konzert am Sonntagabend ebenfalls!) auf ihrer Bingo-Karte sechs Uraufführungen, ebensoviele Ensembles und etliche punktierte Quintolenzweiunddreissigstel abhaken können, haben Sie zwar nichts gewonnen, aber ein frühlingshaftes Wochenende in Dresden voller Musik erlebt. Glückwunsch!