Scroll Top

Zum 15. Geburtstag ein kleines Festival

Fing alles im Jahre 1995 bei einem Bierchen im Studentenclub Aquarium an? Damals begannen Ullrich Bemmann aka DJ Disorder und einer seiner Freunde die denkwürdige Joy Division-Party anlässlich des 15. Todestages von Ian Curtis im früheren Dresdner Club Panzerhof zu planen.Oder war die Herausgabe des ersten »debil«-Fanzines im Jahre 2000 der Startschuss? Oder empfand man die erstmalige Verwendung des Namens club|debil bei einer Konzertveranstaltung am 3. Januar 2004 im Keller der kleinen Kneipe »Labor«, die nur kurze Zeit existierte, als Initialzündung?

Wie auch immer – letztendlich scheint dies unbedeutend. »Was vielmehr zählt«, so Bemmann, »ist die Tatsache, dass die Kultur, für die der club|debil eintritt, überhaupt stattfindet. In Zeiten zunehmender Vereinheitlichung und Kommerzialisierung aller Lebensaspekte braucht es Nischen wie diese dringender denn je.« Es sind vor allem experimentelle Klänge, Industrial und Noise Sounds, Soundscapes und Dark Ambient, für die sich der club|debil engagiert, aber auch Post Punk, New Wave oder elektronisch-akustische Feldforschungen werden präsentiert. Die bei club|debil auftretenden Musiker und Künstler kommen aus ganz Europa und aus Übersee. Damit trägt der Club mit seinen Programmen seit vielen Jahren dazu bei, enge Dresdner Horizonte zu weiten und im Laufe der Zeit die Szenen der Nachbarländer auch im »Tal der Ahnungslosen« bekanntzumachen. Bis heute wurden zahllose Partys und weit über sechzig Konzerte – fast alle mit mehreren Bands – organisiert.

Das »Debile«, die eigene »Beschränktheit«, die sich – und sei es auch nur auf musikalischem Gebiet – in der Ablehnung der Konsumkultur und im Festhalten am eigenen Geschmack manifestiert, stelle Bemmann zufolge in einer Welt der Reizüberflutung keine »Behinderung« oder »Schwäche« dar, sondern eine Gabe. Der Name club|debil orientierte sich am bereits erwähnten, von Bemmann herausgegebenen Fanzine »debil«, das über den »Umweg« eines Tanzparty-Namens nach dem Titel »Tanz debil« der Einstürzenden Neubauten benannt wurde und das von 2000 bis 2003 in gedruckter Form erschien. Ullrich Bemmann versteht unter dem club|debil eine »Art Veranstaltungsplattform« und gleichermaßen Freundeskreis. Der harte Kern von club|debil sind drei DJs (Martyn Flesh, Menticide und Disorder) sowie einige Freunde, die immer mit anfassen, wenn es etwas zu tun gibt, insgesamt etwa zehn Leute. Möglich wurden die club|debil-Programmvielfalt und -menge vor allem auch durch eine gute Vernetzung in die Dresdner Kulturszene sowie durch die Hilfe von Clubs wie vor allem der Alte Feuerwache Loschwitz.

Nun hat sich der »harte Kern« um DJ Disorder entschieden, das Geburtsjahr von club|debil mit 1999 anzusetzen – der 15. Geburtstag steht also vor der Tür. Gefeiert wird mit einem kleinen Festival »Vielfalt durch Einfalt« am 3. Mai 2014 ab 20 Uhr in der Reithalle, Straße E. Auftreten werden Teatro Satanico (Italien), Jiku55 (Japan), Niedowierzanie (Frankreich) und Paranoiz (Ungarn).

Die ersten Stücke von Teatro Satanico waren kaum mehr als Synthesizer-Geräusche, die sporadisch zwischen 1993 und 1995 veröffentlicht wurden. Erst im Jahr 2007 wagte sich Teatro Satanico an den ersten Live-Auftritt. Nach längerer Wanderschaft durch verschiedene elektronische Klangexperimente entstand der für Teatro Satanico typische Laptop-Punk mit postindustriellen Pop-Melodien. Mittlerweile besteht die Teatro Satanico-Live-Besetzung aus Devis Granziera und Kalamun auf der Bühne und Mauro Martinuz am Mischpult.

Maria Jiku stammt aus Kyoto und lebt jetzt in Berlin. Ihr audio-visuelles Soloprojekt rief sie 2009 in Leben. Jiku setzt für ihre Sounds ihre Stimme, Synthesizer, Effekte und Peitschengeräusche ein. Die Peitsche als Symbol für die Beziehung von Lust und Schmerz spielt auch bei ihren visuellen Arbeiten eine wichtige Rolle. Go Tsushima aus Osaka improvisiert psychedelische Sounds aus elektronischen Gerätschaften ebenso wie auf seiner Gitarre. Neben seiner eigenen Band Pychedelic Desert spielt Tsushima immer wieder mit anderen Künstlern. Unter anderem mit seiner Landsfrau Maria Jiku. Zusammen bilden die beiden seit 2010 das Duo JIKU55.

Niedowierzanie ist das polnische Wort für »Misstrauen«. Es handelt sich dabei um das Soloprojekt des Franzosen Léo Maury. Der musiziert auf einer Vielzahl akustischer Instrumente – lange Zeit spielte das Cello eine zentrale Rolle –, die er einspielt und live verändert. So baut er als Niedowierzanie Schicht um Schicht komplexe Klanglandschaften auf, die Bilder von fernen Orten beschwören. Verträumte, träge wogende Balladen wechseln sich mit düsteren Trauermärschen ab, in Hitze und Staub eines Sommerabends enthüllen sich plötzlich Schmerzen, Unbehagen und Angst hinter der fließenden südlichen Lässigkeit.

Kálmán Pongrácz ist in der Budapester Musikszene kein Unbekannter. Als Rovar17 hat er schon einige Alben mit experimenteller Musik veröffentlicht, er ist Organisator von Konzerten und spielt auch immer wieder in Projekten mit Kollegen zusammen. Für Paranoiz hat sich Pongrácz, der seinen Sound aus der Umwelt gewinnt und mit Laptop und Liveelektronik verfremdet, den Schlagzeuger Krisztián Bartha an seine Seite geholt. Das Ziel der energetischen Rhythmus-Noise-Improvisation beschreibt Pongrácz in der Erweiterung der Geräuschkulisse um experimentelle Klänge.

»Vielfalt durch Einfalt«
Zeit: 3. Mai 2014 (20 Uhr)
Ort: Reithalle, Straße E, Werner-Hartmann-Straße 2, 01099 Dresden
Tickets: VVK 10 Euro über club-debil@hotmail.de, 12 Euro an der Abendkasse.