Er will kein Totengräber sein. Axel Köhler, gefeierter Countertenor, gefragter Regisseur und erfolgreicher Intendant, er wirft jetzt hin. Nicht Hals über Kopf, das wäre seine Sache nicht, sondern wohlüberlegt. Und – leider – wohlbegründet. Rechtzeitig und überaus fair teilt er seinen Brotherren mit, für eine Vertragsverlängerung als Intendant der Oper Halle nicht zur Verfügung zu stehen. Sein jetziger Kontrakt bindet den aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg stammenden Dresdner bis 2016 an die Saale-Stadt. Eine weitere Laufzeit bis 2021 lehnt er ab. Begründung: Er will kein Totengräber sein.
Soeben hat er erfolgreich ein weiteres »Intermezzo« an der Semperoper inszeniert, nun kündigt er sein Finale bei den Halloren an. Der „willkürliche“ Sparkurs des aus unerfindlichen Gründen zum Kultusminister erhobenen Prälaten Stephan Dorgerloh habe dafür den Ausschlag gegeben. Der SPD-Theologe, freigiebiger Förderer der „Lutherdekade“ und anderer eher staatsferner Religionsunternehmen, er dreht der Kultur im Frühaufsteher-Kleinstaat den Hahn ab. Es ist immer wieder erstaunlich, was lokale Wichte in nur einer Legislaturperiode für Schaden zu stiften in der Lage sind. Über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaften werden da mit einem Federstrich ausradiert!
Für Sachsen-Anhalt bedeutet die glaubensvolle „Kulturpolitik“ Dorgerlohs eine Kürzung von drei Millionen Euro pro Jahr. Extreme Einschnitte in Dessau, Eisleben und Halle wären die Folge, zunächst sicherlich erst einmal personell, in der logischen Konsequenz dann aber auch inhaltlich. Dass ein Mann wie Axel Köhler, der über drei Jahrzehnte lang als Künstler in Halle gewirkt und für eine überregionale Ausstrahlung gesorgt hat, derlei Engstirnigkeiten nicht mittragen will, ist einleuchtend. Die künstlerische Qualität geht damit den Bach runter, oder verläuft sich eben „an der Saale hellem Strande“.
Gut möglich, dass im Anhaltinischen nun einige Frühaufsteher aufschrecken werden, weil sie erkennen, was solch eine reformatorisch kleingeistige Sparpolitik für Schaden anrichtet. Ob das noch rechtzeitig für unausgeschlafene Einsichten sorgt, sei dahingestellt. In Sachsens sogenannter Landeshauptstadt jedoch könnte Köhlers Konsequenz für Hoffnungsschimmer sorgen. Schließlich kennt Axel Köhler das Musiktheater wirklich von allen Seiten, hat Realitätssinn, ist bestens vernetzt und uneitel genug, um die Traditionen der Sächsischen Staatskapelle mitsamt ihrer sich entfaltenden Eigenständigkeit zu akzeptieren. Das sollte doch ganz gewiss auch der Schorlemer-Nachfolge zu denken geben. Sie darf sich nur nicht zu früh schlafen legen! Denn Totengräber will und wird Axel Köhler nicht sein.