Dass uns das noch mal passieren würde! Kaum ist der Krimsekt wieder offizieller Champagner in Wladimirs Zarenreich, schon sprudeln die Perlen erlesenster Tropfe(n) so fruchtbar wie Kork. Ab sofort darf in Russland nicht mehr geflucht werden; jedenfalls nicht in Kunstwerken, Filmen und Massenmedien. Tolstoi hat es von nun an wieder recht schwer, von Solschenizyn zu schweigen; beide könnten im Fall des Falles aber nicht mehr belangt werden. Bei einem Thomas Bernhard, diesem Meister der Flüche und des Fluchens, da würde es richtig teuer. Und Mozart? Wie steht es um Mozart? Für jede seiner teils drastischen Hinwegwünschungen müsste er fortan mit bis zu 50.000 Rubel büßen, das sind immerhin gut tausend Euro. Kurzlebig, wie er nun einmal war, zog sich dieser andere Salzburger so beizeiten wie vorausahnend aus Putins Schlinge.
Die Sächsische Staatskapelle will aber in der nächsten Saison in Moskau gastieren. Wehe, wenn da eine Saite reißt! Von falschen Einsätzen zu schweigen. Auf dem Programm stehen dann Werke von Bruckner, Liszt, Strauss und Wagner. »Siegfried-Idyll« und »Ein Heldenleben« mögen wohl angehen, die sind so hymnisch, wie es sich der lupenreine Muskelheld und oberste Demokrat Gulagistans tagtäglich vorm Spiegel wohl wünscht. »Till Eulenspiegel« und »Meistersinger«-Zitate hingegen stünden wohl rasch auf dem Index.
Derselbe Wladimir, der einst als Genosse Oberwichtig im ARD-freien Dresden herumspionierte, hier sein geheimnisvoll klingendes Schlüsselbund verlor und es nur durch Zufall lebensrettend wiederbekam, der hier die deutsche Sprache erlernte (mit sächsischen Flüchen?), der anlässlich seiner Wiederkunft vorm Taschenberg von Dutzenden Diederich Heßlings bejauchzt und von vergleichbaren Handels- und Versorgungs-Mitläufern mit einem georgischen Orden bedacht worden ist, der lässt Schimpfwörter in seinem Zarenreich verbieten. Da wäre es eigentlich an der Zeit für ein Konzert von Pussy Riot im Dresdner Kulturpalast. Aber der hat ja den tschetschenischen Weg einschlagen müssen: Den Bach runter. Ein kaukasischer Kreidekreis wäre manchmal viel hilfreicher. Auch an der Elbe. Sachdienlicher sowieso.
Es ist schon zum Mäusemelken (nochmal tausend Euro). Dabei hat die plötzlich wieder auf eine Schwarzmeer-Halbinsel ausgedehnte Präsenz des Roten Banns, dialektisch gesehen, nicht nur Schlechtes. Neulich hatte sie noch Bilder gerettet und lupenrein demokratische Gasleitungen verlegt, jetzt stößt sie an ihre Grenzen. Von allen Seiten. Die einzige Konsequenz, neben der Boykotthysterie als transatlantische Drohgebärde, die kam von Uncle Sam namens Little Big Mac. Der will nun nämlich die heim ins Reich geholte Halbinsel bei Krimsekt schmoren lassen. Wenn sich nach dieser jüngsten Konter-Reformation eine US-amerikanische Imbiss-Wiederverwertungskette komplett vom Schwarz(meer)markt wieder zurückzieht, dann muss doch was dran sein an der Angst vorm Fluchverdikt?
Da wäre also doch noch von Russland zu lernen! Sachsens Freistaatler aber ficht das nicht an, die haben hundertprozentig umgeschwenkt und setzen auf das andere Ross, das mit den Sternen im Banner. Steuerteuer lässt das Bundesland der Gartenzwerge die Horden der Polizeifahrzeuge künftig mit Hollywood-Krachmacher ausstatten. Vorbei die behäbigen Zeiten des Tatü-Tata, von nun an heißt es Wiu-Wiu. Damit wird in Sachsen dann wohl endlich auch das Kapitel innere Sicherheit abgeschlossen sein. Dreifach verflucht!
Wir achten künftig auf die Verwendung von Schimpfwörtern,
vorerst bis nächsten Freitag –
Michael Ernst