Er sei dann mal weg, teilte Einhorn-Gitarrist Andreas Zöllner dem Publikum letztes Jahr mit. In der St. Pauli-Ruine hat er denen, die seitdem unter Entzugserscheinungen gelitten haben, nun auf sympathisch unfertige Weise von einer Reise berichtet, auf der ziemlich viel schief lief – und die trotzdem am Ende irgendwie gut ausging. Und wie jetzt weiter?
Wieviel Kilometer mag Andreas Zöllner in den letzten zwanzig Jahren unterwegs gewesen sein? Fünfzigtausend? Dreihunderttausend? Oder mehr? Fakt ist, im Gepäck des Einhorn-Tourbusses waren stets Kontrabass, Gitarre, Bouzouki, Lautsprecher, nicht zu vergessen natürlich die Kollegen. Irgendwann muss der Stress die Freude überwogen haben. Es blieb „das dringende Gefühl, dass ich jetzt weg muss, um frei zu werden für neue Dinge“.
Diesem Gefühl folgend, machte sich Zöllner nach Auflösung der Band ganz allein auf den Weg, „nach Süden, nach Süden“, wo die Zitronen blühn und das Musikerherz freier schlägt. Den ursprünglichen Plan, sich „oifn weg“ durch Straßenmusik zu ernähren, gab er bald auf. Unerwartet waren die Sprachbarrieren bei der Dach-überm-Kopf-Suche, bald wedelte auch die Gesundheit mit Grenzpfählen. Dabei hatte er sich doch gefühlt wie der verliebte Vampir in Stings „Moon over Bourbon Street“: „I was trapped in this life like an innocent lamb / I must love what I destroy and destroy the thing I love…“ Und nun, auf dem Weg in die zweite Lebenshälfte, knackte die Hüfte, brummte der Kopf, die Wegweiser blieben aus. Athos? Jerusalem? Istanbul? Die hehren Ziele rückten mit jedem mühsamen Schritt weiter weg.
Irgendwann beschloss Andreas Zöllner: ich kehre um. Und siehe, von da an lief’s wieder. Die Tageswanderungen wurden wieder länger. Der Kopf wieder freier. Er begriff: wenn man läuft, als sei’s die Ruhepause vom Wandern – dann geht’s besser. Nach vielen Parties, Wegbekanntschaften, (Selbst-)Ermutigungen und eintausendfünfhundert gelaufenen Kilometern war der Musiker sozusagen über den Berg. Und pünktlich zum achtzigsten Geburstag der Mutter wieder zu Hause.
Der gesungene und erzählte Reisebericht am Sonntagabend in der St.-Pauli-Ruine, von vielen ehemaligen Einhorn-Fans ungeduldig erwartet, geriet entspannt-unspektakulär. Ein paar Lieder (einige noch sympathisch unfertig, andere – vor allem die gemeinsam mit der besten Ehefrau von allen vorgetragenen – magisch) wechselten sich mit Reiseanekdoten, bei denen sich der Erzähler nicht scheute, diverse Um- und Hohlwege, Fehltritte und andere Dusseligkeiten zu gestehen. Unprätentiös war der Abend. Und ließ, wiewohl einiges angedeutet wurde, die wichtigste Frage offen: wie geht’s nun musikalisch weiter? Hören wir mal. Der letzte Auftritt von Andreas Zöllner wird das bestimmt nicht gewesen sein.