Schon im 15. Jahrhundert, als Russland von Iwan dem Schrecklichen regiert wurde, hörte und liebte man in Moskau orthodoxe liturgische Gesänge. Der Männerchor der Petrosawodsker Staatsuniversität gründete sich zwar erst 400 Jahre nach dem Tod des Zaren, versteht sich aber als traditionswahrendes Kollektiv. Mit historischen liturgischen Gesängen, aber auch Kompositionen aus der russischen Klassik und Moderne gewannen sie zahlreiche Preise im In- und Ausland. Am Freitag sind sie in Dresden zu Gast. Zum Auftakt der Reise hat Oleg Jampolski mit dem Gründer und Leiter des Männerchores, Alexej Umnow, gesprochen.
Herr Umnov, Ihren Chor gibt es bereits seit 2007. Von seiner Gründung an hatten sie immer wieder mit Deutschland zu tun. Wie kam das?
Ja, das ist richtig. Ursprünglich, ich war noch Student, habe ich eine Gruppe von Freunden zusammengetrommelt, die gemeinsam singen wollten. Durch Zufall hörte ich damals von einem leerstehenden Kellergewölbe im Deutsch-Russischen Zentrum von Petrozawodsk. Das war ein Treffpunkt für Russlanddeutsche Familien. Ich sprach mit der damaligen Leiterin und bot ihr an, als „Chor des Russisch-Deutschen Kulturzentrums“ aufzutreten, wenn sie uns den Keller als Proberaum kostenlos zur Verfügung stellt. Ein Zugewinn für beide Seiten!
Wie kam es dann zum Universitätschor?
Bei einem Konzert hörte uns die Rektorin der pädagogischen Hochschule. Sie war begeistert und bot uns an, uns bei sich einzugliedern. So bekamen wir auch studentischen Zuwachs. Später wurde die Hochschule als Fakultät in die Universität Petrozawodsk eingegliedert, mit uns. So wurden wir zum Universitätschor.
Sie sind also kein reiner Studentenchor?
Nein, wir sind bunt gemischt. Insgesamt sind wir über 30 Sänger, zu den Tourneen kommen jedoch maximal zwanzig mit. Unser Kollektiv besteht aus Schülern, Studenten, Berufstätigen, einige Profis sind auch dabei. Ein ehemaliger Kommilitone von mir und ein Pianist singen auch mit.
Und das auch international erfolgreich?
Ja. Wir machen bis zu vier Gastspielreisen im Jahr. Diese Reise nach Dresden ist bereits unsere 21. internationale Reise seit der Gründung. Auch im Dresdner Umland waren wir im Frühjahr 2013 schon unterwegs.
Dresden ist für Sie also kein Neuland?
Ich kannte Dresden als Kulturstadt aus den Medien. Wenn man über Musik und Deutschland spricht, kommt man um Dresden nicht herum. Letztes Jahr hatte ich endlich die Möglichkeit, die Stadt selbst zu sehen.
Haben Sie einen Lieblingsort hier?
Die Gemäldegalerie! Man hört so viel davon, und dann steht man drin und die Erwartungen werden doch noch übertroffen. Dann kommt man raus, voller Emotionen, und es geht immer weiter. Die Galerie an sich sowie der Ort an dem sie steht, das sind für mich einfach die schönsten Orte der Stadt.
Der „Petersburger Dialog“ mit Russland wurde von deutscher Seite gerade „vertagt“, ohne dass ein neuer Termin genannt wurde. Wie schätzen Sie den Einfluss der Deutsch-Russischen Beziehungen auf den kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern ein?
Ich habe dazu eine sehr gefestigte Meinung: Es gibt diesen Einfluss nicht und sollte ihn nicht geben. Wir als Musiker müssen unpolitisch bleiben. Das betone ich auch regelmäßig meinen Sängern gegenüber. Es gäbe keinen Kulturaustausch, wenn Politische Spiele auch auf unserer Ebene ausgefochten werden. Sehen sie, wir leben im Rahmen unseres Dresdner Konzertes bei deutschen Gastfamilien. Wäre das möglich, wenn wir hier wären um Politik zu machen? Natürlich nicht! Wir kommen als Künstler, da darf es keine Rolle spielen, aus welchem politischen System wir sind, es geht uns um die Musik.
Ist es schwer mit einer solchen Einstellung in Russland?
Im Gegenteil. Sehen sie, wir planen derzeit eine Konzertreise nach Tiflis. Trotz fehlender diplomatischer Beziehungen zwischen Russland und Georgien bietet uns der georgische Kulturattaché seine aktive Hilfe an. Das wäre mit politischem Einfluss überhaupt nicht möglich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Freitag, 17.10.2014, 19.30 Uhr
Russisch-Orthodoxe Kirche Dresden
Fritz-Löffler-Straße 19, 01069 Dresden
Eintritt frei – Spenden erbeten