Richard Strauss hat Richard Wagner abgelöst. In gewisser Weise war das schon zu seinen Lebzeiten so. Auf den im vergangenen Jahr begangenen 200. Geburtstag des Leipziger Dichter-Komponisten, der Dresden in den Revolutionsjahren floh, folgte nun 2014 das 150. Jubiläum des Bajuwaren, dem die Behaglichkeit an der Elbe sehr wohltat.
Und gleich der Auftakt zum Jubeljahr geriet in Dresden fulminant: Die „Elektra“ an der Semperoper erreichte endlich wieder den Maßstab, für den dieses Haus grundsätzlich stehen sollte. Das war – vor allem musikalisch – Weltniveau. Mit der von Salzburg an die Elbe umgesetzten „Arabella“ schloss sich ein Kreis. Richard Strauss dürfte, seine Erben werden sich gefreut haben. Beide Opernereignisse sind bereits zum Nachhören da, „Elektra“ als ganz feine CD-Einspielung (Deutsche Grammophon), „Arabella“ gar als DVD (Unitel Classica).
Mag man zum Jahresbeginn vielleicht noch gestaunt haben, wieso die Dresdner Richard-Strauss-Tage erst im November stattfinden sollten, so war man im Herbst doch sehr glücklich mit dieser Wahl: Wiedersehen mit einigen der inzwischen zu Raritäten im Spielplan geratenen Opern wechselten sich mit Konzertereignissen und einem Weltklasse-Liederabend. Thomas Hampson, bereits als Arabellas Madryka sehr gefeiert, brillierte mit einem Ausflug ins Liedschaffen von Richard Strauss. Man war es dem Meister schuldig, der immerhin neun seiner insgesamt 15 Opern diesem Haus mit seinem auch damals grandios musizierenden Orchester zur Uraufführung anvertraut hatte.
An den nächsten drei Sonntagen dieses Dezembers wird es jeweils nochmal den „Rosenkavalier“ geben – mit Anja Harteros als Marschallin und Christian Thielemann am Pult der Kapelle –, dann ist erst einmal Schluss mit dem Erinnern an Strauss. Oder doch nicht so ganz? Eine köstliche Krönung gibt es für die letzten Tage des Jahres: Anja Harteros gibt sich am 17. Dezember noch einmal die Ehre und kommt ebenfalls zu einem Liederabend ins Haus. Wie schon ihr Kollege Bariton kommt auch die Sopranistin mit dem kongenialen Pianisten Wolfram Rieger. Neben Richard Strauss stehen Johannes Brahm, Franz Schubert und Hugo Wolf auf dem Programm. Was für ein würdiger Abschluss des Strauss-Jahres!
Bei einem kleinen Blick über den Tellerrand des Elbtals fällt Dresdens polnische Partnerstadt Wroclaw ins Auge. Dort hat der „Rosenkavalier“ am 13. Dezember Premiere, musikalisch geleitet von Intendantin Ewa Michnik und inszeniert von Georg Rootering. Zwei weitere Vorstellungen folgen am 14. und 20. Dezember in der schlesischen Metropole, die Richard Strauss ab dem Jahr 1900 mehrfach besuchte und wo er beispielsweise 1924 die „Reichsdeutsche Uraufführung“ von „Schlagobers“ dirigierte, seiner als „heiteres Tanzspiel“ bezeichneten Ballettmusik.
Zu dieser Zeit hatte der rasch weit über München hinaus erfolgreiche Strauss seinen musikalischen Einstand beim dortigen Symphonieorchester „Wilde Gungl“ freilich schon längst hinter sich. Der seit 1864 (Straussens Geburtsjahr) aus Liebhabern bestehende Klangkörper brachte im Mai 1880 die erste Komposition von Richard Strauss in einer öffentlichen Vorführung heraus. Just zum Januar 2015 wird der den Radebeulern von den Landesbühnen noch gut bekannte italienische Dirigent Michele Carulli dort anheuern.
Das Strauss-Jahr mag zu Ende gehen, doch die musikalischen Sträusse werden weiter gefochten. Überall auf der Welt.
Bis nächsten Freitag –
Michael Ernst